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Für Fans das Größte: Modded Games wie dieses Minecraft-Beispiel, zu dem es auf Youtube diverse Videos gibt.

© Tsp

Modding: Ich mach mir das Game, bis es mir gefällt

Modder programmieren Computerspiele neu. Wichtig ist den digitalen Amateuren der Beifall der Szene.

Gleich muss er über den Bergfried kommen. Fauchend, mit tiefer Stimme, schuppig und schlecht gelaunt wird sich der Drache Alduin auf den Turm fallen lassen und den Helden verfolgen. Dann endet die Szene am Anfang des Computer-Rollenspiels „Skyrim“ und besagter Held kann sich auf seine Abenteuerreise durch das fantastisch-mittelalterliche Land Himmelsrand begeben, wo er – große Überraschung – in mehr als 100 Spielstunden zum Drachentöter wird. So weit so gut. Alles geskriptet, alles Routine.

Doch diesmal kommt das markerschütternde Dröhnen, mit dem sich der Drache normalerweise ankündigt, nicht. Stattdessen tutet es durch die Luft und anstatt eines überdimensionierten Reptils landet dann einer auf dem Turm, mit dem man in einer Welt voller Orks, Elfen und magischer Schwerter eigentlich gar nicht rechnen würde: Thomas, die kleine Lokomotive. Auch ein Held, aber aus der gleichnamigen Kinderserie.

Grund für diesen unerwarteten Auftritt ist eine Modifikation des Computerspiels, oder kurz Mod. Als Mods werden von Nutzern programmierte Veränderungen von Computerspielen bezeichnet. Sie sind der Grundstock einer Gemeinschaft von Amateuren, die im Internet vernetzt ist und dort ihre Projekte mit anderen Nutzern teilt – in rauen Mengen: Auf der Modding-Plattform Nexus gibt es heute mehr als 117 000 Mods für 185 Spiele.

Die Geschichte der Mods begann mit einem Witz. Jemand baute im Jahr 1983 eine der ersten Mods für den Shooter „Castle Wolfenstein“ der Firma ID Software, in der man gegen Nazisoldaten kämpfte. Er ersetzte die Nazis mit Schlümpfen und wurde –naheliegenderweise– unter dem Namen Castle Smurfenstein bekannt.

Mehr als zehn Jahre später begann die Zusammenarbeit zwischen Spieleentwicklern und der Modding-Gemeinschaft. ID-Software beschloss 1994, Nutzer, die ihr Spiel „Doom“ bearbeiten wollten, nicht mehr juristisch zu verfolgen, erlaubte Mods sogar ausdrücklich und erleichterte den Zugang zum Spielcode.

Im Jahr 1999 wurde mit „Counter Strike“ eine der wohl bekanntesten Mods veröffentlicht. Diese machte aus dem Spiel „Half Life“, in dem sich ein Spieler auf rabiate Weise mit einer Alien-Plage auseinandersetzt, ein waffenstarrendes Räuber-und-Gendarm-Spiel, in dem sich mehrere Spieler wahlweise als Terroristen oder Sondereinsatzkommandos bekämpfen. In der Szene heißt so ein Mod „Total Conversion“, weil vom ursprünglichen Spiel dabei inhaltlich kaum etwas übrig bleibt. „Counter Strike“ war jahrelang eines der erfolgreichsten Multiplayer-Spiele weltweit.

Heute werden Modder von Spieleentwicklern aktiv unterstützt. Bethesda, der Entwickler des Computerspiels „Skyrim“, legt beispielsweise heute vielen seiner Spiele Programme bei, die das Bauen von Mods ermöglichen. Außerdem geben viele Entwickler heute Möglichkeiten zur Personalisierung schon in den Originalspielen ein, ganz ohne Modding. „Man gibt dem Spieler mehr Handlungsmacht“, sagt Pablo Abend, der an der Universität Köln zu partizipativen digitalen Phänomenen forscht. Während manche Modding nur als die Demokratisierung der Spieleentwicklung sehen, hat es für die Firmen auch einen klaren materiellen Vorteil. Ältere Spiele bleiben länger aktuell, wenn Nutzer sie kontinuierlich weiterentwickeln, sagt Abend.

„Skyrim“ ist so ein Spiel. Vor vier Jahren veröffentlicht, hat es mit mehr als 41000 Dateien auf Nexus heute eine der aktivsten Modding-Szenen. Die Bandbreite ist riesig: Manche Mods fügen nur einzelne Gegenstände zum Spiel hinzu. So kann man sich zum Beispiel Jon Snows Schwert Longclaw aus der Fernsehserie „Game of Thrones“ herunterladen oder eine Rüstung, die an die der Elben in den „Herr der Ringe“-Filmen erinnert. Andere Mods bringen die Grafik soweit es geht auf den aktuellsten Stand oder verbessern die Bedienoberfläche des Spiels.

Doch es sind nicht nur kosmetische Veränderungen, mit denen sich die Modder auseinandersetzen. Manche Mods verändern das gesamte Spielprinzip.

Ein Beispiel dafür ist „Frostfall“ des amerikanischen Modders Chesko. Diese sorgt dafür, dass es nicht nur Drachen und andere Monster sind, die dem Spieler ans Leben wollen, sondern auch das Land selbst. Während man in der Originalversion als Zauberer oder Ritter noch unbeschadet durch wüste Eislandschaften laufen konnte, erfriert man mit dem Mod in manchen Gebieten schon nach kurzer Zeit, wenn man kein Feuer zum Aufwärmen findet. Mehr als 2000 Stunden habe er in die Entwicklung des Mods gesteckt, sagt Chesko. Warum? Die nordische Spielwelt war ihm im Original nicht realistisch genug. „Mit Mods kannst du das Spiel so gestalten, dass es dich selbst widerspiegelt“, sagt er. Bezahlt wird Chesko für seine Zeit nicht. Anders als bei von Spieleentwicklern entwickelten Erweiterungen sind Mods umsonst. Jeder, der das Spiel besitzt, kann sie herunterladen und installieren, die Modder programmieren in ihrer Freizeit. Auch für Chesko ist es ein Hobby. Sein Ansporn sind dabei die Rückmeldungen aus der Szene.

Für Mods, die gefallen, gibt es auf Nexus Empfehlungen. So wurde Cheskos „Frostfall“ beispielsweise über 69 000 Mal von anderen Spielern gelobt. Aufmerksamkeitsökonomie nennt das Pablo Abend. „In der Modding-Szene ist nicht Geld, sondern Anerkennung die Belohnung für Leistung“, sagt er. Damit die auch beim richtigen Modder ankomme, sei Autorenschaft einer der wichtigsten Aspekte beim Modding. Es geht äußerst ehrlich zu. Zwar darf man jeden Mod eines anderen verändern, muss diese jedoch auf jeden Fall positiv erwähnen. Was zählt, sei nicht materieller Gewinn, sagt Chesko, sondern Engagement in der Szene.

Wie empfindlich diese auf Kommerzialisierung reagiert, mussten vor einigen Wochen auch die Spieleplattform Steam und Skyrims-Entwickler Bethesda feststellen. Im April führten die beiden Firmen ein Bezahlsystem ein. Bestimmte „Skyrim“-Mods sollten in Zukunft nur noch gegen Geld erhältlich sein, den Moddern damit die Möglichkeit geboten werden, mit ihrem Hobby Geld zu verdienen. Die Reaktion? „The internet exploded“, sagt Chesko. Er war von Bethesda eingeladen worden, einen der ersten bezahlten Mods zu programmieren, nahm diesen jedoch bald wieder offline. Die Foren und Kommentarspalten quollen über, eine Onlinepetition gegen die Entscheidung erreichte über 130 000 Unterschriften. Auch im Spiel wurde protestiert. Für eine Woche, berichtet Paolo Abend, führte ein Mod die Download-Statistiken an, mit dem Spieler ihren Helden mit Protestplakaten ausrüsten konnten, auf denen „Free the Mods” zu lesen war. Die Unternehmen zogen die Konsequenz. Nach weniger als einer Woche brachen sie das Projekt ab. „Wir haben ganz schön weit am Ziel vorbeigeschossen“, hieß es in einer Pressemitteilung.

Und so bleibt die Modding-Szene vorerst eine Enklave für digitale Amateure im wahrsten Sinne des Wortes: Liebhaber, denen „ihr“ Spiel so wichtig ist, dass sie es kontinuierlich verbessern und an ihre Bedürfnisse anpassen. Ob sie nun dafür bezahlt werden oder nicht. Auch Chesko will weiter Mods für „Skyrim“ programmieren. Zumindest, bis das Nachfolgespiel veröffentlicht wird. Er hofft, dass es bei Computerspielmesse E3 Mitte Juni Neuigkeiten gibt. Dann gäbe es wieder eine neue Welt zu verändern.

Glossar zu Mods und Modfikationen

Vanilla: Wird vor den Titel eines Spiels gestellt und bezeichnet das nicht durch Mods veränderte Originalspiel.

Total Conversion: Bezeichnet eine Modifikation, bei der fast sämtliche inhaltliche Aspekte des Originalspiels ausgetauscht werden, sodass ein neues Spiel etsteht, (Siehe: „Counter Strike“, „Garry’s Mod“, „Day Z“)

Partial Conversion: Bezeichnet eine Mod, bei der das Spiel im Großen und Ganzen gleich bleibt. Nur einzelne Aspekte werden verändert.

Nexus: Eine Modding-Plattform im Internet, auf der sich Nutzer austauschen und ihre Mods mit anderen Spielern teilen.

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