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Kopierschutz

© Kitty Kleist-Heinrich

Digitaler Kopierschutz: Rettet der Apple-Vorstoß die Musikindustrie?

Apple verzichtet in seinem Online-Musikgeschäft iTunes künftig auf den Kopierschutz und hat eine neue Preispolitik angekündigt. Auch Konkurrent Musicload zieht nach. Kann das die kriselnde Musikindustrie retten?

Musik ist die vielleicht beste, älteste und schönste Droge der Welt. Ihr Konsum ist gesundheitlich (meist) unbedenklich. Und mit dem Siegeszug der Internettauschbörsen war sie sogar, wenn auch illegal, kostenlos zu haben. Für die Musikindustrie hatte das Millionenverluste zur Folge. Dann kam Apple, und mit Apple kam auch das Geld zurück. Jetzt könnte es wieder der US-Computerkonzern sein, der der Musikindustrie zumindest einen kleinen Rettungsschirm aufspannt.

Ein Stück Musik kostete bei Apple bisher 0,99 Euro. Das hat das gleichsam gefürchtete wie geliebte Unternehmen vor sechs Jahren so festgelegt. Es ist heute der weltgrößte Händler für digitale Musik. Während der Verkauf von physischen Tonträgern immer weiter schrumpft, kaufen mehr und mehr Menschen Musik übers Internet – vor allem über Apples Plattform iTunes. Insgesamt sechs Milliarden Lieder soll Apple bisher verkauft haben, allein 2,4 Milliarden im abgelaufenen Jahr. Dabei war es stets unerheblich, ob ein Stück drei oder 13 Minuten lang ist, ob laut, frech, besinnlich, modern oder volkstümlich gestrickt. Es kostete nun mal 0,99 Euro. Diese undifferenzierte Preispolitik, die alle Geschmäcker und Trends gerecht ignorierte, gilt als ein Grund für Apples Erfolg.

Doch damit ist nun Schluss. Apple-Marketingchef Phil Schiller verkündete auf der Fachmesse Macworld in San Francisco, dass sein Unternehmen nun die Musikkonzerne entscheiden lässt, wie teuer sie die Stücke verkaufen wollen. Ein Titel kostet künftig entweder 69, 99 oder 129 Cent. Das ist Apples Zugeständnis an die Musikindustrie, die sich darüber ärgerte, dass sie Ladenhüter nicht verramschen durfte und moderne Pop-Kracher teuer an die Kids verkaufen konnte. Jetzt geht das.

Im Gegenzug hat Apple der Musikindustrie ein Zugeständnis abgetrotzt, das für die gesamte Branche und für die Musikkultur als solche Bedeutung haben dürfte. Apple muss seine Stücke nicht mehr mit einem Kopierschutz versehen. Künftig können Nutzer Musik, die sie über iTunes kaufen, nicht nur über den eigenen Rechner und das verhältnismäßig teure Apple-Abspielgerät iPod anhören. Man kann Apple-Musik auf alle möglichen Medien überspielen, auf CDs brennen – so oft man will. Diese scheinbar technische Banalität ist auch relevant für alle, die kein Apple-Produkt nutzen.

Das Ende der Kopiersperre ist eine kleine Konterrevolution, eine Rolle rückwärts in der Mediengeschichte und vielleicht hat Apple mit dem Schritt sogar die konservativen Musikkonzerne zu ihrem Glück gezwungen. Kostenlos tauschbare Musik gab es schon mal. Das war sogar Standard. Mit der Erfindung des Kassettenrekorders konnte man bequem Lieder von der Schallplatte und aus dem Radio aufnehmen. Mit dem Siegeszug des Heimcomputers und des CD-Brenners Ende der 90er Jahre ließen sich dann auch CDs vervielfältigen und die Titel darauf neu zusammenstellen. Dann erfand ein deutsches Fraunhofer-Institut das Format MP3. Es ermöglichte, die große Menge Daten, die bei der Digitalisierung von Tönen entsteht, stark zu reduzieren. Musik wurde austauschbar, zwischen Datenträgern – und zwischen Kontinenten. Fortan tauschten Schüler keine Kassetten mehr auf dem Schulhof, sondern Daten mit Gleichgesinnten in Tokio oder Paris.

Während die Digitalisierung in allen Bereichen – im Verkehr, der Arbeitswelt, sogar bei den Medien – als Erleichterung des Alltags empfunden wurde, löste sie bei der Musikindustrie einen Schock aus. Die Branche begann, sich zu wehren. Sie gängelte Künstler, Händler, Industrie und Kunden mit Kopiersperren. Es gab und gibt auch heute noch zahllose Formate, Geräte, Codes und Bezahlmodelle. Dass Menschen ohne abgeschlossenes Informatikstudium überhaupt noch kaufen, ist das eigentliche Wunder.

Mit sofortiger Wirkung will Apple 80 Prozent seiner rund zehn Millionen Stücke in der Datenbank „entsperren“, also frei austauschbar machen. Der Rest soll zum 1. April folgen. Bereits bei iTunes gekaufte Titel können gegen eine Gebühr von 0,30 Euro nachträglich von der Sperre befreit werden – was viele Nutzer in ersten Reaktionen allerdings als Frechheit empfinden.

Der weltgrößte Buchhändler Amazon, der ebenfalls digitale Musik verkauft, bietet seine Titel bereits ohne Sperre an. Auch die deutsche Nummer zwei im Online-Musikgeschäft, Musicload, macht mit. Die Tochterfirma der Deutschen Telekom will ab 1. April 95 Prozent ihrer Lieder ohne Kopierschutz anbieten. Ob es wie bei iTunes auch ein neues Preismodell geben wird, ist aber noch unklar. Anders als bei Apple hat Musicload bereits eine Preisspanne von 79 bis 199 Cent.

Ob die Preise für Digitalmusik angemessen sind, werden die Verbraucher von Fall zu Fall entscheiden. Aber zumindest hat der Formate-Wirrwarr ein Ende, was für Elektroindustrie und Verbraucher eine Erlösung ist. Bei der Musikindustrie ist man weiter vorsichtig: „Flexible Preismodelle sind gut für Musikkonsumenten und Musikproduzenten. Ob der weitgehende Verzicht auf eingeschränkte Kopiermöglichkeiten wirklich ein zusätzlicher Turbo für den schnell wachsenden Online-Markt ist, werden wir erst in einigen Monaten wissen“, sagt Stefan Michalk, Geschäftsführer des Bundesverbandes Musikindustrie.

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