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Am 3. August 1984 erhielt der Karlsruher Informatiker Michael Rotert als erster Deutscher eine E-Mail, einen Willkommensgruß ins US-amerikanische CSNET. Später war er an der Gründung zahlreicher Internetorganisationen in Deutschland beteiligt. Foto: dpa

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30 Jahre E-Mails in Deutschland: „Wilkomen in CSNET“

Vor dreißig Jahren kam die E-Mail nach Deutschland. Vier von fünf Deutschen nutzen die elektronische Kommunikation. In anderen EU-Ländern wird allerdings mehr geschrieben.

Während die meisten Leute sich schwerlich erinnern können, in welchem Jahr oder gar um welche Uhrzeit sie ihre erste E-Mail bekamen, steht es zumindest für ganz Deutschland fest: Es war der 3. August 1984 um 10.14 Uhr mitteleuropäischer Zeit. In der Betreffzeile stand: „Wilkomen in CSNET!“ Heute würde die leicht fehlerhafte Rechtschreibung sofort Verdacht auf Phishing erregen, damals öffnete ein Mann in Karlsruhe bedenkenlos das digitale Kuvert, um Post von Laura zu lesen: „Michael, This is your official welcome to CSNET.“

Michael Rotert war und ist Informatiker an der Universität Karlsruhe. Laura Breeden begrüßte ihn seinerzeit auf einer US-Plattform, die zur Kommunikation von Wissenschaftlern gegründet worden war. Der junge Karlsruher brauchte dafür einen kühlschrankgroßen Computer namens VAX 11/750, der mit dem Betriebssystem Unix lief. Und natürlich stand der Computer in einem Keller. Es müssen ja immer Keller und Garagen sein, in denen die großen Umwälzungen beginnen, bescheiden und beengt.

Die erste Mail über das Arpanet wurde bereits 1971 verschickt

In Wahrheit tun sie das selten. Tatsächlich wünschte man sich im US-Verteidigungsministerium schon zu Beginn der 1960er Jahre ein atombombensicheres Netzwerk zur internen Kommunikation, und was dann 1962 drei Informatiker als „Intergalactic Computer Network“ konzipierten, enthielt schon fast alle Ingredienzien des Internets. Einer von ihnen – Vinton Cerf – wurde bald darauf Chef der Advanced Research Projects Agency, 1969 stand das Arpanet, 1971 wurde die erste E-Mail verschickt.

Natürlich führen noch zig weitere Wege zur weltweiten E-Post mit jetzt mindestens 3,4 Milliarden Anwendern. Auch der Buchdruck beginnt nicht erst mit Gutenberg, um die Erfindung des Funkverkehrs konkurriert ein Dutzend Pioniere. Aber es gibt doch immer irgendwo ein „erstes Mal“, eine Geburt mit Datum, auf die sich Menschen gern berufen. Je weniger wir durchblicken, desto lieber zeigen wir auf die Urkunden. Und auf einen Ur-Kunden wie Michael Rotert, immerhin erster Mailer im deutschen Netz.

Seine Uni habe damals, sagt er heute, schon mal 30 000 Mark monatlich fürs Mailen bezahlt. Schade, dass solche Tarife nicht beibehalten wurden für alle, die Spams absondern. Der klebrige Müll umfasst nämlich drei Viertel der 3,7 Millionen Mails, die mittlerweile weltweit pro Sekunde verschickt werden.

Deutschland war beim Mailen ein Spätstarter

Dass Deutschland beim Mailen ein Spätstarter war, lag vor allem daran, dass das Internet selbst erst Anfang der 1980er Jahre den Sprung über den Atlantik schaffte. Bis zur Erfindung des World Wide Web durch Tim Berners-Lee am Genfer Cern dauerte es sogar noch bis An fang der 90er Jahre. In Deutschland begann die vernetzte Zukunft 1983 für den Bürger mit dem Bildschirmtext der Deutschen Bundespost. Über den Btx-Dienst konnten ebenfalls elektronische Nachrichten verschickt werden. Doch genauso wie bei anderen Diensten wie CompuServe handelte es sich um Inselsysteme, die erst später durch das Internet miteinander verbunden wurden.

Einige Unternehmen denken inzwischen sogar über die E-Mail-lose Kommunikation nach. Oder zumindest über eine massive Senkung des internen Mailverkehrs. Indem die eigenen Mitarbeiter dazu verpflichtet werden, sich gegenseitig maximal eine Mail pro Tag zuzuschicken, soll der ausufernde Zeitverbrauch beim Lesen und Beantworten der Mails eingedämmt werden. Mark Zuckerberg hat die E-Mail ebenfalls für tot erklärt. Er sieht in der Messaging-Kommunikation über soziale Netzwerke die Zukunft – natürlich vorzugsweise auf Facebook.

Doch Totgesagte leben bekanntlich länger: Nach jüngsten Zahlen hat die private E-Mail-Nutzung in Deutschland vor allem in den letzten zehn Jahren stark zugelegt. Dies fand der IT-Branchenverband Bitkom mit einer Umfrage aus Anlass des 30-jährigen E-Mail-Jubliäums in Deutschland heraus. Demnach verschickten 2003 erst 44 Prozent der Deutschen elektronische Mitteilungen. Fünf Jahre später waren es bereits 67 Prozent und inzwischen ist dieser Wert auf 78 Prozent gestiegen. Im EU-Vergleich liegt Deutschland damit jedoch nur auf einem bescheidenen siebten Rang. Davor liegen unter anderem Dänemark, Schweden, Finnland und Großbritannien. Spitzenreiter in Europa sind die Niederländer. Neun von zehn Holländern schreiben E-Mails.

Jeder Zweite nutzt noch immer seine erste Mail-Adresse

Aber auch die Deutschen kommunizieren häufiger auf elektronischem Wege. Fast jeder Zweite gab bei der Bitkom-Befragung an, heute mehr Mails als vor fünf Jahren zu schreiben. 36 Prozent schreiben ähnlich viele Mails, nur jeder Fünfte sendet weniger Mails als damals. Diese Einschätzung ist unabhängig vom Alter der Befragten. Vor allem aber hängen die Deutschen an ihren Mail-Adressen. Jeder zweite E-Mail-Nutzer nutzt seine erste Adresse auch heute noch.

Heute können sich zwei Drittel der E-Mail-Nutzer – immerhin 34 Millionen Deutsche – nicht mehr vorstellen, kurzfristig auf ihre private E-Mail-Adresse zu verzichten. Auch wenn die Konkurrenz von Chats und Messaging-Diensten zunimmt und insbesondere jüngere Menschen immer häufiger andere Formen der Kommunikation wählen: Die E-Mail ist derzeit noch für die meisten unverzichtbar.

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