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Vergangenheitsaufarbeiter. Günter Wallraff (l.) und Mathias Döpfner. Fotos: dpa

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Undercover: Auf Distanz zu sich selbst

In einem Abhörfall um Günter Wallraff kritisiert Springer-Chef Mathias Döpfner „Bild“-Praktiken der 70er. Nur die Schuldigen findet er nicht.

Mit großen Schritten geht die Axel Springer AG auf ihren ehemaligen Erzfeind Günter Wallraff zu. Bereits im November war in einer Dokumentation des WDR zu sehen, wie der Vorstandsvorsitzende des Medienkonzerns, Mathias Döpfner, in einem Interview bedauerte, wie speziell die „Bild“-Zeitung in den 1970er Jahren mit Wallraff umgegangen sei. Am Mittwoch distanzierte sich Döpfner im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa „aus heutiger Sicht“ erneut von Vorgängen rund um die Person Wallraff.

Dabei wurde aber auch klar, dass die Aufklärung dieser Vorgänge, deren „minutiöse Ergründung“ Döpfner in dem im November ausgestrahlten Beitrag versprach, schwieriger zu werden scheint als gedacht. Konkret geht es um eine Abhöraktion der Kölner „Bild“ aus dem Jahr 1976, bei der nach Angaben der Springer AG Telefonate zwischen Wallraff und dem Liedermacher Wolf Biermann abgehört wurden. „Wir wollten aufklären, auf wessen Betreiben Wallraff abgehört wurde oder ob es eine Kooperation zwischen dem BND und der Kölner „Bild“-Redaktion gab und – wenn ja – wie diese zustande kam“, sagte Döpfner der dpa. Es sei bemerkenswert, dass man bislang im ganzen Haus nichts Verwertbares gefunden habe. Auch Gespräche mit früheren Mitarbeitern hätten keine Aufschlüsse gebracht. Die Tatsache werfe kein gutes Licht auf die damalige Zeit. Denn wenn es nichts zu verstecken gäbe, müssten Unterlagen zu finden sein, die hülfen, die damaligen Geschehnisse nachzuvollziehen, sagte Döpfner weiter. Er könne nicht ausschließen, dass sie eventuell absichtlich vernichtet wurden. „Dass wir nichts finden, ist enttäuschend und legt den Verdacht nahe, dass es von Verlagsseite etwas zu verheimlichen gab.“ Derzeit laufe noch eine Klage von Springer gegen den BND auf Akteneinsicht. Es sei möglich und zu hoffen, dass dort noch Unterlagen auftauchten, betonte Döpfner. Außerdem habe der heutige „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann inzwischen auch Kontakt mit Günter Wallraff aufgenommen. Beide Seiten hätten ein berechtigtes Interesse, die Vorgänge aufzuklären.

Freilich, ganz ungeschoren wollte Döpfner Wallraff nicht gehen lassen: „Wir würden uns wünschen, wenn Günter Wallraff mit ähnlicher Bereitschaft zur Selbstkritik die Vorwürfe seiner Kontakte zur DDR-Staatssicherheit aufklären würde.“

Günter Wallraff selbst, der 1977 als Hans Esser verdeckt bei „Bild Hannover“ recherchierte, war am Mittwoch, wie er dem Tagesspiegel telefonisch mitteilte, „in einer Rolle drin“ und deshalb nicht zu einem Statement in der Lage. Beim Onlineportal „sueddeutsche.de“ hatte er sich bereits im Vormonat wohlwollend über die Springer-Vorstöße geäußert: „Es gibt Anzeichen dafür, dass das nicht nur Lippenbekenntnisse sind.“ Wenn der Springer-Konzern „das nun ehrlich und selbstkritisch aufklärt, bin ich auf das Ergebnis sehr gespannt“. jos/dpa

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