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Als seinen "verheerendsten Fehler" bezeichnete der frühere "Spiegel"-Reporter Hans Leyendecker seine "Spiegel"-Titelgeschichte "Der Todesschuß" über den Tod des RAF-Terroristen Wolfgang Grams 1993.

© Marcus Brandt/dpa

„Spiegel“-Titelgeschichte „Der Todesschuß“: Aufklärungskommission untersucht Enthüllung von 1993

Auf Drängen von Ex-Generalbundesanwalt von Stahl untersucht der „Spiegel“ seinen Aufmacher von 1993. Meinen „verheerendsten Fehler“ nannte ihn Hans Leyendecker später.

Die Aufklärungskommission des „Spiegel“, die nach dem vor einem Jahr bekannt gewordenen Skandal um die vom Ex-Reporter Claas Relotius gefälschten Berichte gebildet wurde, hat einen neuen Auftrag erhalten.

Auf Drängen des ehemaligen Generalbundesanwaltes Alexander von Stahl soll die Kommission nun die genauen Umstände der „Spiegel“-Titelgeschichte „Der Todesschuß“ von Juni 1993 ermitteln, in der Star-Reporter Hans Leyendecker über den GSG9-Einsatz in Bad Kleinen schrieb, bei dem der RAF-Terrorist Wolfgang Grams ums Leben kam. Das schreibt Gabor Steingart in seinem „Morning Briefing“-Newsletter von Mittwoch.

Der „Spiegel“ bestätigt, dass die Kommission die Angelegenheit untersucht, noch seien die Recherchen jedoch nicht abgeschlossen. Ergebnisse längen noch nicht vor.

Leyendecker hatte seinerzeit unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Informanten geschrieben, dass Grams von einem Beamten der Einsatzgruppe erschossen wurde. „Die Tötung des Herren Grams gleicht einer Exekution“, hieß es in der Titelstory.

Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben später, dass sich Grams selbst erschoss. Hans Leyendecker, der 1997 zur „Süddeutschen Zeitung“ wechselte, bezeichnete seinen Text später als seinen „verheerendsten Fehler“, da sich die beiden Quellen, auf denen seit Bericht fußte, nicht verifizieren ließen.

Gab es den Informanten tatsächlich?

Die Spiegel-Recherche von Leyendecker führte zum Rücktritt von Innenminister Rudolf Seiters, Generalbundesanwalt von Stahl wurde in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Mit der Untersuchung, die nun auf Drängen vom ehemaligen Generalbundesanwalt geführt wird, soll festgestellt werden, ob es den Informanten tatsächlich gab oder ob es sich bei ihm nur um einen anonymen Anrufer handelte, der eine falsche Fährte legte. „Ist der ,Spiegel‘-Mann womöglich einer Desinformation aufgesessen, deren Sinn darin bestand, den Staat zu diskreditieren“, fragt Ex-Handelsblatt-Herausgeber Steingart in seinem Newsletter.

Zu der nun gegen den damaligen „Spiegel“-Text und ihn laufenden Untersuchungen teilte Leyendecker gegenüber Steingart mit: „Ich habe dazu alles gesagt. Es gab den Informanten, es gab weitere Hinweise. Aber mein Informant hat nicht die Wahrheit gesagt. Ich habe mich dafür unzählige Male entschuldigt.“

Ombudsgremium in Gründung

Die Aufklärungskommission des "Spiegel" soll in Kürze durch eine andere Einrichtung abgelöst werden. Als eine Schlussfolgerung der Kommission zur Causa Relotius werden werden Chefredaktion und Geschäftsführung, wie angekündigt, ein unabhängiges Ombudsgremium einrichten. Dieses Gremium soll  Hinweisen auf inhaltliche Ungereimtheiten in den Publikationen des "Spiegel" nachgeht. "Wir führen derzeit Gespräche zur Besetzung dieses Gremiums, es soll Anfang 2020 seine Arbeit aufnehmen. Bis dahin ist die Kommission noch im Amt", teilte der Verlag auf Nachfrage dem Tagesspiegel mit.

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