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Ausbildung mit der Kirche: Evangelische Journalistenschule in Berlin schließt
Nach zwei Jahren intensiver Gespräche und vielen Protesten steht fest: Die Evangelische Journalistenschule in Berlin wird geschlossen. Die Kirche muss sparen.
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Wenn es denn noch eines Beweises bedurfte, wie wichtig fundierter Journalismus in Zeiten von Desinformations- und Fake-News-Kampagnen ist: Der Krieg gegen die Ukraine zeigt auch dies. Für fundierten Journalismus braucht es eine fundierte Ausbildung. Ausgerechnet jetzt macht eine der renommiertesten Journalismus-Schulen in Deutschland dicht: die EJS, die Evangelische Journalistenschule mit Sitz in Berlin.
Am Mittwoch hat der Aufsichtsrat des Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik (GEP) als Träger das Aus der EJS beschlossen, nach 27 Jahren.
Das Gremium bedaure sehr, dass auch nach intensiven Beratungen innerhalb der vergangenen zwei Jahre kein Weg gefunden worden ist, eine Weiterarbeit der EJS betriebswirtschaftlich zu verantworten, teilte das GEP am Nachmittag mit.
Angesichts der unabweisbaren Aufgabe, in den kommenden Jahren ein Kostenvolumen in Höhe von 1,9 Millionen Euro strukturell abbauen zu müssen, verfüge das GEP nicht über die notwendige Finanzkraft, die EJS fortzuführen oder ein noch kostenintensiveres Konzept, wie in einer Konzeption „EJS 4.0“ entworfen, aufzubauen.
Mit „EJS 4.0“ sei man beim GEP anfänglich „auf offene Ohren“ gestoßen
Der aktuelle 13. Jahrgang wird somit der letzte sein. Es hatte sich schon länger angekündigt.
Dennoch hatte der Freundeskreis der EJS bis zuletzt auf sein Konzept „EJS 4.0“ gepocht, dass einer digital ausgerichteten Schule eine Zukunft geben sollte, mit einem dezidierten Schwerpunkt in digitalen Kompetenzen. Diese sollte neben Journalist:innen auch gezielt Mitarbeitende in Kirche und Diakonie, in NPOs und NGOs und anderen Bereichen engagierter Zivilgesellschaft ansprechen.
Mit „EJS 4.0“ sei man beim GEP anfänglich „auf offene Ohren“ gestoßen, heißt es im Freundeskreis. Den Aufsichtsrat der GEP hat das offenbar nicht überzeugt, zudem auch die evangelische Kirche im Hintergrund am Ende keine positiven Signale aussandte, die ein finanzielles Überleben in Aussicht stellten.
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Dabei hatte der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, vor kurzem betont, dass Qualitätsjournalismus heute, in Zeiten von digitalen Medien und Algorithmen, wichtiger sei denn je. Doch die EKD wollte dem GEP kein zusätzliches Geld für die Schule bereitstellen. 2020 war bekannt geworden, dass bis 2024 1,9 Millionen Euro eingespart werden müssen.
„Eine bittere und falsche Entscheidung“, sagt dazu Oscar Tiefenthal, Leiter der Evangelischen Journalistenschule. „An der EJS haben wir 27 Jahre lang unter ständigem Spardruck und mit verhältnismäßig kleinem Budget eine hochwertige Ausbildung gewährleistet. Ausgerechnet im Bereich Qualitätsausbildung für Journalistinnen und Journalisten die Lichter auszuknipsen, ist ein verheerendes Signal nicht nur für die evangelische Publizistik."
Diese Entscheidung entspreche weder den Herausforderungen der Zeit noch dem, was als Kirche beigetragen werden könne
„Wir sehen in diesen Tagen wieder Menschen, die um ihr Leben kämpfen, um ihre Freiheit, um ihre Würde - und um die Wahrheit, gegen Menschenverachtung und Propaganda", so Natascha Gillenberg, Vorstandsvorsitzende des Freundeskreises der EJS.
„In den vergangenen zwei Jahren haben wir intensive Diskussionen darüber geführt, welche Bedeutung die journalistische Ausbildung für die Kirche und für unsere Gesellschaft hat – und ja: für das Unternehmen, das sie trägt." Ob es weiterhin zu verantworten wäre, diese wirtschaftliche Verpflichtung einzugehen, womöglich zulasten anderer Aufgaben.
„Wir erleben eine Zeitenwende mit entsprechenden radikalen politischen Kurskorrekturen auf allen Ebenen, die noch vor wenigen Wochen völlig undenkbar schienen. Und während die militärischen Verteidigungsetats erhöht werden, diskutiert die evangelische Kirche den Stand ihrer Friedensethik. Und schließt zeitgleich eine der wichtigsten Ausbildungsstätten für Journalismus.“
Diese Entscheidung entspreche weder den Herausforderungen dieser Zeit noch dem, was als Kirche beibetragen werden könne.
Vor zwei Jahren hatten 500 Journalisten, Publizistinnen und Kirchenvertreter einen offenen Brief geschrieben und den Fortbestand der Schule gefordert. Unter ihnen Anne Will, Heribert Prantl, Pinar Atalay, Caren Miosga, Carolin Emcke, Ingo Zamperoni. Nie sei genau diese Schule so wichtig gewesen wie heute, schrieben sie.
Vergebens. Fundierter Journalismus wird hier nicht mehr gelehrt werden.
Immerhin: Das Gemeinschaftswerk will sich weiterhin in der journalistischen Aus- und Fortbildung engagieren. Für bis zu fünf junge Menschen werde ab 2023 ein 24-monatiges Volontariat in Frankfurt am Main angeboten (bei der EJS in Berlin waren es 16 Plätze).
Die Ausbildung werde geleitet von Ursula Ott, der Chefredakteurin von „chrismon“, und erstrecke sich über alle Medien und Dienstleistungen im GEP.
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