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Am Handy der Kanzlerin.  Grimme-Preisträger Seipel, der vor drei Jahren das erste TV-Interview mit NSA-Whistleblower Edward Snowden (Foto) geführt hatte, bringt wichtige Stationen, ohne sich im Detail zu verzetteln. Er erzählt die Vorgeschichte der NSA-Affäre.

© Tsp

ARD-Doku zur NSA-Affäre: Ausspähen geht immer

Snowden, Merkel & Co.: Eine Doku ruft den NSA-Skandal in Erinnerung. Und die Erkenntnis, dass sich unsere Werte und Interessen mit denen Amerikas nie decken.

Hans-Georg Maaßen beliebte zu scherzen: „Die NSA hat mir heute gesagt, dass Sie Rot tragen“, begrüßte er Martina Renner. Vor seiner Befragung im NSA-Untersuchungsausschuss hatte der Verfassungsschutz-Präsident im Juni 2016 manch’ munteren Spruch parat. Martina Renner, Bundestags-Abgeordnete und Obfrau der Linken, trug ein knallrotes Kleid und quittierte die seltsame Charme-Offensive mit einem Achselzucken. Ansonsten geriet Maaßens Auftritt humorlos. Er ließ das parlamentarische Kontrollgremium wissen, es verschwende seine kostbare Zeit, die ihm nun bei der Terrorabwehr fehle.

Die Episode scheint aus einer anderen Zeit zu stammen. Der Anschlag in Berlin, der Machtwechsel in Washington – hat die deutsche Politik nicht längst andere Sorgen als die Kungelei der Geheimdienste? „Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“, hatte Angela Merkel öffentlich behauptet, nachdem bekannt geworden war, dass die US-amerikanische National Security Agency (NSA) das Handy der Bundeskanzlerin abhörte.

Mittlerweile ist klar, dass NSA und BND eng zusammenarbeiten, dass die NSA den Zugang zum angeblich größten Netz-Austauschknoten in Frankfurt erhielt und der BND im Gegenzug die notwendige Software nutzen darf, um die Masse an Daten nach vermeintlich brauchbaren Informationen zu filtern. „Ausspähen unter Freunden geht immer“, kommentiert Hubert Seipel in seiner „Story“-Dokumentation „Abgehört und abgenickt“.

Kehrwagen am Berliner Straßenrand

Datenschutz und informationelle Freiheitsrechte mögen gerade angesichts der Terrorgefahr keine Konjunktur haben, doch bedenkt man Donald Trumps „America first“-Politik, könnte das Thema der Zusammenarbeit zwischen den Geheimdiensten auf der politischen Agenda nach oben rücken.

Der NSA-Ausschuss tagt fast drei Jahre lang. Grimme-Preisträger Seipel, der vor drei Jahren das erste TV-Interview mit NSA-Whistleblower Edward Snowden geführt hatte, bringt wichtige Stationen, ohne sich im Detail zu verzetteln. Er erzählt die Vorgeschichte der NSA-Affäre, der deutsche Kosovo-Einsatz unter Rot-Grün, der Streit um den Irak-Krieg, die Folgen des 11. September 2001.

Der Autor hat Interviews mit Snowden und mit den ehemaligen BND-Chefs Hans-Georg Wieck, August Hanning, Ernst Uhrlau und Gerhard Schindler sowie mit dem ehemaligen NSA-Direktor Michael V. Hayden geführt. Enthüllungen hat sein Film nicht zu bieten, aber davon abgesehen, dass nicht jeder Zuschauer den Blog von Netzpolitik.org aus dem Ausschuss im Auge haben dürfte, fügt Seipel den Interviews aussagekräftige Szenen hinzu. Wie jene von einer Reise des Untersuchungsausschusses in die USA, wo die Parlamentarier wie eine x-beliebige Touristengruppe behandelt werden.

Und der Versuch der Kontaktaufnahme mit einer Senatorin auf deren Anrufbeantworter endet. „Selbst wenn es um Amerikas engste Freunde geht“, sagt Hayden, „unsere Werte, unsere Interessen, unsere Politik decken sich nie.“ Danach lässt Seipel einen Kehrwagen am Berliner Straßenrand Laub und Müll aufsaugen, dort, wo der Festakt zum 60-jährigen Bestehen des BND gefeiert wurde.

„Die Story im Ersten: Abgehört und abgenickt“; Montag, ARD, 22 Uhr 45

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