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"Deutschland sucht den Superstar": Sängerin Marianne Rosenberg ist neues Mitglied in der Jury neben Dieter Bohlen.

© RTL

"DSDS"-Jurorin Marianne Rosenberg: "Bohlen ein Arschloch? Die Rolle ist ihm zu klein geworden"

Einst gehörte sie zu den größten Kritikerinnen, jetzt sitzt Sängerin Marianne Rosenberg selbst in der Jury von "DSDS". Ein Gespräch über Castingshows, ihre Co-Juroren, Naivität und die Zuwanderungsdebatte.

Frau Rosenberg, Castingshows sind Menschenverwertungsmaschinen, haben Sie einmal gesagt. Sind Sie als Jurymitglied von „Deutschland sucht den Superstar“ jetzt Teil dieser Maschinerie?

Sicher bin ich jetzt zumindest bei „DSDS“ ein Teil davon. Aber Maschinen bestehen immer aus unterschiedlichen Teilen, die unterschiedliche Funktionen haben.

Und welche Funktion wollen Sie neben Ihren Mitjuroren Dieter Bohlen, Sängerin Mietze und Rapper Kay One übernehmen?

Ich habe in 40 Jahren Showgeschäft eine Menge gelernt, wovon ich einiges den jungen Menschen vermitteln möchte.

Warum haben Sie sich trotz Ihrer Kritik an Castingshows überhaupt entschieden, bei „DSDS“ als Jurorin mitzumachen?

Weil ich gefragt worden bin – und weil es mich gereizt hat zu probieren, ob es auch anders geht. Es ist also mein persönlicher „Marsch durch die Institutionen“.

Und was wollen Sie anders machen?

Angetreten bin ich nach sehr gründlichen, teils kontroversen Diskussionen, weil der Sender mir vermittelt hatte, dass er sein Konzept ändern möchte, dass die Kandidaten mehr Selbstbestimmungsrechte bekommen und die Jury nicht nur urteilen, sondern auch beraten und fördern soll.

Trotzdem bleibt es bei Ihrer Kritik, dass in Castingshows nur Einheitsbrei entsteht?

Zunächst war und ist jede Kritik an den Castingshows berechtigt und notwendig, damit sich bei den Jugendlichen so etwas wie ein Bewusstsein darüber bilden kann, worauf sie sich hier einlassen. Zum anderen versuche ich jetzt meine Vorstellungen von „Talentwettbewerben“ mal innerhalb der Maschinerie einzubringen, was wesentlich schwieriger ist, als diese Mechanismen nur von außen zu kritisieren.

Sie selbst sind als 14-Jährige bei einem Talentwettbewerb entdeckt worden. Erkennen Sie Parallelen zwischen sich damals und den „DSDS“-Kandidaten heute?

Ja, weil jeder, der sich einem öffentlichen Wettbewerb stellt, damals wie heute, hofft, dass das eine große Chance ist, seinem Traum ein Stück näherzukommen. Nein, weil sich die Gesellschaft und die Form, wie die Öffentlichkeit an so einem Wettbewerb teilnimmt, geändert hat.

Was ist der große Unterschied zu Ihren Auftritten damals?

Damals, als ich in einem Café im Berliner Europacenter ein italienisches Volkslied vorgesungen habe, haben vielleicht hundert Leute zugeschaut, von denen viele wirklich am Talent interessiert waren, nicht an einer unterhaltsamen Show. Heute sitzt ein Millionenpublikum vor den Fernsehern, von denen nicht wenige ihren Voyeurismus ausleben und mindestens so sehr am Scheitern, wie am Erfolg eines anderen teilhaben.

Auch Sie wurden damals auf Diät gesetzt, lernten, sich richtig zu bewegen, sich richtig zu schminken. Haben Sie dabei gerne mitgemacht?

Ach wo, das fand ich schrecklich. Ich erinnere mich noch genau, dass ich Kleider anziehen sollte, die ich einfach nur grauenhaft fand. Ich weiß auch noch, dass ich wie Models und damals auch Stewardessen lernen musste, mit einem Buch auf dem Kopf über den imaginären Laufsteg zu stöckeln. Für einen Jugendlichen ist das absurd. Tatsache ist aber auch, dass ich von einigen dieser, sagen wir mal „Trainingseinheiten“, später profitiert habe.

Was ist aber anders, wenn Sie sich mit den Kandidaten heute vergleichen?

Ich weiß nicht, vielleicht sollte die Frage lauten: Was erkennen Sie in den Kandidaten von heute wieder, wenn Sie an damals denken? Dann würde ich antworten: Vieles, zum Beispiel die Naivität in Bezug auf das Showgeschäft, aber auch der mal mehr oder mal weniger begründete Glaube an das eigene Talent. In jedem Fall sicher auch der Glaube an das Märchen vom Tellerwäscher.

Sie haben mit Dieter Bohlen 1989 und 1994 zwei Songs produziert. Wie erleben Sie ihn jetzt als als Juror?

Ganz unterschiedlich und zum Teil auch anders als erwartet. In der fachlichen Beurteilung liegen wir oft ganz nah beieinander. Kein Wunder, denn wir haben beide viele Jahre Erfahrungen in der Branche gesammelt. Trotzdem hätte ich die Übereinstimmung so nicht erwartet. Zum anderen bin ich eine Frau, Dieter nicht.

Ist er für Sie weiterhin das „Arschloch der Nation“?

Ich hoffe, Dieter wird es mir verzeihen wenn ich jetzt sage, dass auch er älter geworden ist. Die Rolle des „Arschlochs“, wenn er sie denn je bewusst gewählt hat, ist ihm sicher zu klein geworden.

Inwiefern ist Bohlen diese Rolle zu klein geworden ?

Auch er möchte seine Erfahrungen vermitteln, möchte diejenigen fördern, die er für begabt hält und diejenigen „erlösen“, die sich falsche Hoffnungen machen. Dass er dabei oft andere Formulierungen benutzt, als ich sie benutzen würde, ist für manchen vielleicht eine Bereicherung der Show, für mich Ausdruck einer mit unterschiedlichen Charakteren besetzten Jury.

2013 hat mit Beatrice Egli eine Schlagersängerin gewonnen. Nun sitzt mit Ihnen eine Schlagersängerin in der Jury. Warum ist Schlager plötzlich wieder hip?

Es leben die Schubladen, mögen sie noch so ausgeleiert sein. Ich mache seit den 80er Jahren keinen Schlager mehr, aber lassen Sie uns diese Klischees ruhig vernachlässigen und versuchen Ihre Frage zu beantworten: Ich habe wirklich keine Ahnung.

Würden Sie nach Ihren bisherigen Erfahrungen noch einmal Jurorin einer Castingshow werden?

Ich selbst bin leidenschaftlich gerne Musikerin, Produzentin und Autorin, so wie aktuell mit meinem Bandprojekt „Schattenherz“. Es ist aber auch sehr spannend, junge Talente beobachten zu können, bevor sie vom Showbusiness geschliffen worden sind und diesen Talenten den einen oder anderen Tipp mit auf den Weg geben zu können. Insofern kann ich mir sehr wohl vorstellen, wieder einmal als Jurorin bei einer Castingshow mitzuwirken, wenn die „Spielregeln“ stimmen und Talente eine ehrliche Chance bekommen.

Sie kommen aus einer Sinti-Familie, ihr Vater Otto Rosenberg überlebte Auschwitz und war langjähriges Vorstandsmitglied des Zentralrats deutscher Sinti und Roma, Ihre Schwester Petra sitzt dem Landesverband Berlin-Brandenburg vor. Sie selbst, sagen Sie, fühlen sich als Sinteza und Berlinerin. Wie erleben Sie die aktuelle Debatte zur „Armutseinwanderung“?

Verständlicherweise bin ich da sehr sensibel, wenn ich merke, dass deutsche Politiker wieder mit fremdenfeindlichen Äußerungen auf Stimmenfang gehen. Aber genau so verständlich ist es hoffentlich auch, wenn ich dieses wichtige Thema hier nicht mit dem Thema Castingshow verbinden möchte.

"Deutschland sucht den Superstar", Mittwoch, RTL, 20 Uhr 15

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