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Medien: Bratkartoffeln mit Majo

Christine Neubauer im ZDF-Film „Moppel-Ich“

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Es soll Menschen geben, die Susanne Fröhlichs Bestseller „Moppel-Ich“ nicht gelesen haben. Dabei wurde der schon in den ersten drei Wochen 60 000 Mal verkauft und ist viel mehr als nur ein Sachbuch. Der Regisseur und der Drehbuch-Autor dieses Films gehörten bis vor kurzem auch zu den Ignoranten. Regisseur Thomas Nennstiel: „Nein, da ich nie ein Gewichtsproblem hatte, wäre es mir nie in den Sinn gekommen, ein Sachbuch darüber zu lesen.“ Das ist eben die Crux. Wozu ein Problembehebungsbuch bei Abwesenheit des Problems? Obwohl es in diesem Falle zugleich – und das macht seinen Charme aus – ein Problemanerkennungsbuch ist. Bei einem Spielfilm aber ist alles ganz anders. Den kann man sogar mit akutem Untergewicht sehen. Und, um es gleich zu sagen, das lohnt sich.

Aber wie macht man aus einem Sachbuch einen Spielfilm? Das ist etwas, was nicht alle Tage geschieht, und deshalb macht diese Ankündigung etwas, was auch nicht alle Tage passiert: Sie bemerkt den Drehbuchautor. Ein Drehbuchautor gehört zu den meistübersehenen Personen des Film- und Fernsehschaffens, obwohl es immer seine Geschichten sind, die wir sehen. Als der Auftrag, aus Susanne Fröhlichs Sachbuch einen Spielfilm zu machen, Lars Albaum („Stromberg“, „Typisch Mann“) erreichte, dachte er spontan: „Oh Gott, ich bin doch viel zu dünn dafür!“ Und außerdem ein Mann. Dann entschied er sich für das „method eating“ und verschlang umgehend drei Stück Schwarzwälder Kirsch sowie zwei Gänsekeulen. Albaum: „Danach habe ich die Methode verworfen, weil mir schlecht wurde.“ Trotzdem befähigte dieser Ansatz den Drehbuchautor, die Radiomoderatorin Susanne Fröhlich noch einmal zu erfinden: als Carla Hahn (wunderbar übergewichtig: Christine Neubauer), Künstlername Christin, Moderatorin der erfolgreichen Morgenkochsendung „Pfundschwund“ auf „Antenne Berlin“.

Der große Vorzug des Radios ist, dass man die Moderatoren nicht sehen kann. Und Christin steht ihre makrobiotischen Hörer-Talks nur durch, indem sie nebenbei Bratkartoffeln mit Mayo zubereitet – die Kochgeräusche und Fettspritzer sorgen für die entspannende, kongeniale Live-Atmosphäre, und Grünkernbratlinge klingen auch nicht anders als Gänsekeulen. Außerdem schätzen die dürren Tontechniker Christins Kochkünste. Das Leben könnte fast perfekt sein, wenn nicht die Firma „Slimline“ alles daran setzen würde, für ihre nächste Diätkampagne Christin von „Pfundschwund“ zu bekommen. Fürs Plakat!

Regisseur Thomas Nennstiel verfilmt das so witzig und punktgenau wie Lars Albaum es aufgeschrieben hat. Beide Männer sowie Hauptdarstellerin Christine Neubauer vereint das Wissen, dass Diäten ungefähr so witzig sind wie ein Brand im Altersheim, weshalb die persönliche Lieblingsszene des Drehbuchautors folgende ist: Carla Hahn alias Christin ist gerade dabei, fünfzehn Kilo abzunehmen (für einen Mann, für wen sonst?), was ihre Tontechniker nicht einmal bemerken werden, und erklärt einem Taxifahrer: „Ich habe meinen Magen nach Guantanamo Bay geschickt.“ Kein Hungerhaken von einem Film, sondern ein ganzer Sonntagsbraten am Montag.

„Moppel-Ich“, 20 Uhr 15, ZDF

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