
© AFP / Foto: DANIEL JANIN
Das legendäre Album „Morrison Hotel“ der „Doors“: Wenn Zeit und Pop verschmelzen
Eine Arte-Dokumentation erzählt die Geschichte des Albums „Morrison Hotel“, mit dem die „Doors“ Musikgeschichte schrieben.
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Sie groovt, sie swingt – und sie nahm sogar den Klimawandel vorweg: Die 1970 aufgenommene Platte zählt zu den größten Rockalben aller Zeiten. In weniger als drei Tagen nach ihrer Veröffentlichung verkaufte „Morrison Hotel“ sich bereits mehr als eine Million Mal. Und das alles ohne jegliche Social Media Präsenz.
Morrisons außerordentliche Kreativität
Der Schlüssel zu diesem Erfolg liegt, wie sollte es anders sein, in der außerordentlichen Kreativität Jim Morrisons, Führungsfigur der „Doors“. Wenn er mal – was zu dieser Zeit gelegentlich vorkam – nicht betrunken war, dirigierte er die Band: „Alles basiert auf Jims Worten und Melodien. Die haben uns gezeigt, wie wir die Songs schreiben müssen, um ihn zu unterstützen“, erinnert sich der Schlagzeuger John Densmore.
Oft fragten sich die Bandmitglieder, warum Jim Morrison eigentlich nie von seinen Eltern sprach. „Die sind tot“, sagte er einsilbig. Doch dann kam seine Mutter einmal auf ein Konzert. Sie keifte den Manager an: „In diesem Licht sieht mein Sohn schlecht aus! Ändern Sie das!“ Nun war klar, warum Jim Morrison seine Mutter totschwieg.
Die Geschichte des charismatischen Sängers wird in diesem Film allerdings nur gestreift. Die Dokumentation konzentriert sich ganz auf die Magie der Musik. Bruce Botnik, der Tontechniker, der alle „Doors“-Alben produzierte, sitzt vor dem Mischpult. Nacheinander spielt er jeden Song kurz an, schiebt den Regler hoch, hebt so ein Gitarrenriff hervor, mal einen irren Schrei von Jim Morrison. Dazu improvisieren der Gitarrist Robby Krieger, der Schlagzeuger John Densmore und der Keyboarder Ray Manzarek mit ihren Erinnerungen.
Hörbar werden auf diese Weise nicht nur einige der wohl berühmtesten Songs der Rockhistorie, sondern auch deren Entstehungsgeschichte samt ihren vielschichtigen musikalischen Einflüssen. Nach dem vorangegangenen Album „The Soft Parade“ – das die Fans mit kitschigen Streicher-Arrangements irritiert hatte – kehrten die „Doors“ nun zu ihren eigentlichen Wurzeln zurück. Die Platte verbeugt sich vor dem Blues und der schwarzen Musik.
Eher heiter ist die Anekdote um das legendäre Plattencover mit dem Hotelnamen, der auf den Sänger der Band anspielt. Ray Manzarek hatte diese Spelunke zufällig entdeckt. Sie befindet sich in der South Hope Street 1246 in Los Angeles. Auf Google Streetview kann man sie sich heute noch ansehen.
Henry Diltz hatte zuvor das berühmte Cover fotografiert, auf dem Crosby, Stills & Nash auf einem speckigen Sofa sitzen. Für die Dokumentation kehrt er noch einmal in das Morrison Hotel zurück und erinnert sich. Der Manager wollte seinerzeit nicht, dass dort fotografiert wird. „Wir mussten uns rein schleichen, schnell das Foto machen und wieder rauslaufen“.
Mit diesen musikhistorischen Reminiszenzen richtet sich die kurzweilige Dokumentation bei Weitem nicht nur an die Fans der stilbildenden Band. Sukzessive erweitert sich der Blick auf das Zeitkolorit der damals gerade beginnenden Ära der 1970er Jahre. Die Präsidentschaft von Richard Nixons veränderte das Land tief greifend. Love and Peace, das euphorische Credo der Hippie-Generation, funktionierte nicht mehr.
Die düstere, zunehmend gewalttätige Stimmung in den USA schlug sich auch in der Musik der „Doors“ nieder. „Ship of Fools“, eines der programmatischsten Lieder des Albums, problematisierte wohl als einer der ersten Rocksongs die globale Erwärmung. „Haben wir nicht auch den Klimawandel vorweg genommen?“ fragt sich Robby Krieger vor der Kamera. Der Film ist wie das Abspielen einer lange nicht mehr gehörten alten Platte, in deren Rillen sich der Staub festgesetzt hat. Doch mit diesem Knistern öffnen sich zugleich die „Pforten der Wahrnehmung“ – so der Titel von Aldous Huxleys Drogenbuch von 1954, nach dem die „Doors“ sich benannten.
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