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Medien: Das Paradies als Hölle

Mit „Lost“ zeigt Pro 7 wieder eine ambitionierte US-Serie, eine Robinson-Crusoe-Geschichte

Meistens sind es drei Dinge, die man auf eine einsame Insel mitnehmen sollte. In diesem Fall 48. 48 Überlebende aus der neuen Pro 7-Serie „Lost“, alles Verschollene nach einem Flugzeugabsturz, die sich auf einer Tropeninsel miteinander herumschlagen müssen, weil die Maschine Tausende von Kilometer vom errechneten Kurs abgekommen und abgestürzt ist. 48 Menschen, 48 verschiedene Geschichten, und schon nach wenigen Minuten des Pilotfilms ist klar: Jeder der Überlebenden hat etwas zu verbergen, jeder eine dunkle Vergangenheit. Und jeder auch ein Grund für Serienfreaks, Montagabend zuhause zu bleiben und Fernsehen zu gucken?

„Lost“ startet zumindest furios, gemäß dem Thriller-Credo: Mit einer Katastrophe beginnen und dann ganz langsam steigern. Der smarte Jack, ein Arzt, kümmerst sich schnell um die Überlebenden. Um Kate, die Schöne, Charlie, den Junkie, um den verletzten Piloten, die schwangere Claire oder um Sayid, der, Achtung, Flugzeugabsturz, mit rassistischen Vorurteilen konfrontiert wird. Und irgendwo in der Mitte der Insel gibt es offenbar große Tiere – oder übernatürliche Kräfte.

Thrill, Terrorangst, Grusel („Jurassic Park“), Mystery („Akte X“), „Herr der Fliegen“, Mikrokosmos und Multikulti – „Lost“ hat von allem etwas und wirkt trotzdem nicht wie eine Kopie. Es ist schon erstaunlich, wie gut „Alias“-Erfinder J. J. Abrams und „Crossing Jordan“-Autor Damon Lindelof die üblichen Serien-Personal- und Plot-Muster geschüttelt haben.

Dazu kommt der Stil. Die Geschichten des Absturzes und der Menschen werden nicht linear, sondern in Rückblenden erzählt, „Lost“ setzt fort, was erfolgreiche US-Serien wie „24“, „Six Feed Under“ oder „C.S.I.“ in Sachen Qualität, Tempo und erzählerische Raffinesse etabliert haben. Die Serie erhielt in den USA 2005 eine Golden-Globe-Nominierung als „Beste TV-Drama-Serie“. Über 18 Millionen Zuschauer sahen die Premiere auf ABC. Die Mischung aus Abenteuer und emotionalen Konflikten soll sogar ein neues Genre etablieren: „Unreality TV“.

Ganz so hoch muss man das nicht hängen, aber „Lost“ hat schon Suchtpotenzial. Und das nicht nur, weil man der Serie die über 60 Millionen Dollar Produktionskosten in jeder Szene ansieht, im Unterschied zum inzwischen eingestellten RTL-Ableger „Verschollen“, der in Studios gedreht wurde.

„Lost“ ist die teuerste Serie in den USA, wurde auf Hawaii gedreht und dürfte auch über eine Strecke von mehreren Staffeln Rätsel und Dienstagsthema sein. Woher kommt Rettung? Kann es die überhaupt geben? Gibt es wirklich Geister auf der Insel? Sind die Verschollenen womöglich tot und in einer anderen Dimension? Wer ist gut, wer böse? Glücklich auf jeden Fall: Pro 7. Der Münchener Privatsender hat nach diversen Quotenflauten („OC.California“, „Charmed“) mit den Serieneinkäufen „Lost“ und „Desperate Housewives“ (der „Sex-and-the- City“-Nachfolger startet am 12. April) gut eingekauft und die Trommeln gerührt. In der vergangenen Woche wurden für „Lost“-Previews in deutschen Großstädten sogar Kinosäle gemietet. Auf eine einsame Insel mitnehmen würde man den Serien-Thriller trotzdem nicht. Dann doch lieber „Robinson Crusoe“.

„Lost“: ab heute montags 20 Uhr 15, Pro 7

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