zum Hauptinhalt
Im Tot-ist-tot-Modus an den Meteoriten vorbei: Statt Bonus-Runden gibt es in Videospielen wie „X3: Terran Conflict“ nur dann Belohnungen, wenn man sich wie bei einem Ironman-Turnier durch die härtesten Aufgaben quält – und dafür zur Not noch mal ganz von vorne anfängt.

© Steam/ Ergosoft

Tot-ist-tot-Modus statt Extra-Runde: Das Permadeath-Prinzip in Videospielen

Bei den meisten Videospielen ist der Tod etwas Relatives. Bei einigen wenigen heißt „Game over“ jedoch wirklich aus und vorbei.

Stand:

Mal wieder tot? Kein Problem in den meisten Videospielen. Häufig kann von der zuletzt gespeicherten Stellen an weitergespielt werden. Der Permadeath – also der finale Tod des Helden und somit der Zwang, nach dessen Tod das Spiel ganz von vorne beginnen zu müssen, ist eher selten. Und etwas für maximalfrusttolerante Hardcore-Gamer. Meistens verliert man dabei den kompletten Spielfortschritt und muss sich also von Neuem durchbeißen: Gehe zurück auf Start. Permadeath erscheint oft nur als Option für Hardcore-Spieler.

Ist der finale Tod also nur etwas für Hartgesottene? Eigentlich nein. Wirft man einen Blick in die Videospielgeschichte, findet man Überraschendes. Früher war Permadeath gang und gäbe. Angefangen bei den frühen Arcade-Spielen wie „Space Invaders“ oder „Pac-Man“ gab es bei vielen Spielen schlicht keine Speicher-Funktion. Über Extra-Leben hatte man manchmal noch weitere Versuche. Waren die aufgebraucht, hieß es schlicht und einfach: Game over. Das war unter anderem bei Klassikern wie „Super Mario Bros.“ oder „Digger“ der Fall. In den 1980er Jahren war Permadeath Spielealltag.

Was ist seitdem passiert? Eine Entwicklung hat eingesetzt – von der konsequenzreichen Permadeath-Norm zur unverbindlichen Leichtigkeit des Casual Gaming. „In den 1980er Jahren war Permadeath in Spielen ganz normal. Aber in den letzten Dekaden haben Spiele eine Tendenz entwickelt, immer einfacher zu werden“, sagt Josh Ge alias Kyzrati von Grid Sage Games. Das taiwanesische Ein-Mann-Entwicklerstudio ist mit dem Roguelike-Spiel „Cogmind“, das erstmals 2017 erschienen ist, bekannt geworden.

Permadeath ist schlicht nicht massentauglich. Spiele sind längst keine Nischenbeschäftigung einer nerdigen Minderheit mehr, sondern Unterhaltungsmedium der Massen. Entsprechend niederschwellig sind oftmals die Spiele. Der Kompromiss lautet: Verschiedene Schwierigkeitsgrade anbieten.

Hardcore für Taktiker

Der „Story-Modus“ spricht den Casual Gamer an, der mehr an Story und Narration interessiert ist als an herausfordernden Kämpfen. Der „Hardcore-Modus“ holt den Intensiv-Taktiker aber, der die Herausforderung sucht – und den endgültigen Tod. Durchbeißen wird dabei oft belohnt. Wer in höheren Schwierigkeitsgraden spielt, kann die ein oder andere Trophäe abstauben.

Im Kampfsimulator „X3: Terran Conflict“ des deutschen Entwicklers Ergosoft gibt es etwa spezielle Steam-Belohnungen für Spieler im „Tot-ist-tot“-Modus. Ähnliches gilt für „Crusader Kings II“, „Europa Universalis IV“, „Hearts of Iron IV2“ und „Stellaris“: Auch hier wird man nur belohnt, wenn man sich durch den „Ironman“-Modus beißt.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]

Während Permadeath früher also an der Tagesordnung war, ist der finale Tod heute lediglich eine Option im Spielemenü, kein Muss. Das nimmt den Druck raus, das Spiel wirklich (tod)ernst nehmen zu müssen. Viele Spiele wie die Rollenspiel-Serie „Pillars of Eternity“ oder die Enhanced Edition des RPG-Klassikers „Baldur’s Gate“ lassen es außerdem zu, dass der Schwierigkeitsgrad während des laufenden Spiels geändert werden kann. Heißt: In einem Moment kann ich noch im „Hardcore“-Modus mit dem drohenden Permadeath als konstant über der Spielfigur baumelnden Damokles- Schwert bangen. Im nächsten wird im „Superleicht“-Modus aller Sterblichkeit entsagt, um sich durch sonst bockschwere Kämpfe schnell durchzuklicken. Was da auf der Strecke bleibt, ist nicht nur die Herausforderung des Spiels. Sondern leider oft auch die Handlungswirksamkeit des Spielers. Die Handlungen im Spiel werden bedeutungslos.

Wenn Handeln bedeutsam wird

Genau diese Herausforderung macht Permadeath aber gerade so faszinierend. Der drohende Tod macht das Spielehandeln bedeutsam, weil es wirklich Konsequenzen hat. Es bedeutet einen immensen Zeit- und Arbeitsaufwand, wieder von vorne anfangen zu müssen. So werden Handlungen im Spiel wohlüberlegter, reflektierter. Und auch anders bewertet: Ein Akt des Mutes in einem Multiplayer-Spiel mit Permadeath hat eine weitaus höhere Bedeutung für die Community als in einem Casual Game. Denn: Es kostet mehr. Es kostet, im schlechtesten Fall, das Leben. Das schafft Bedeutung. Ein Genre hat sich auf diese Bedeutungssuche via Permadeath spezialisiert: Roguelike-Spiele.

Im namensgebenden Urspiel „Rogue“ von 1980 wurde jegliche Speicherfunktion zunächst weggelassen. Die Spieler mussten das Spiel in einem Rutsch durchspielen – oder wieder von vorne anfangen. Als eine Speicheroption hinzugefügt wurde stellte sich heraus, dass die Spieler diese nutzten, um möglichst gute Ergebnisse zu erzielen. Das ging den Entwicklern gegen den Strich. Sie wollten „Realismus“. Kurzerhand setzten sie einen Code ein, der verhinderte, gespeicherte Spielstände laden zu können. Das Genre Roguelike war geboren: Selbst neue Titel wie „Spelunky“, „Caves of Qud“ und auch Josh Ges „Cogmind“ sind dem Permadeath-Prinzip treu geblieben. „Permadeath ist nicht nur ein typisches Element in Roguelike-Spielen, sondern ein notwendiges. Es zwingt den Spieler in Konsequenzen und genau das ist es, was das Genre ausmacht: Handlungen haben definitive und unumkehrbare Folgen“, so Josh Ge.

Den Tod weiterspinnen

Man kann den Tod noch weiterspinnen. Wie wäre es, ein Spiel zu haben, bei dem tot wirklich tot heißt. Permadeath-Radikalismus quasi. Ansätze in wirklich finale Todes-Richtungen gibt es bereits. Das Multiplayer-Spiel „The Castle Doctrine“ von 2014 erlaubt es etwa, Spieler nach ihrem Ableben dauerhaft vom Server zu verbannen. Aber: Spieler können freiwillig entscheiden, ob sie auf einem dieser sogenannten „Perma-permadeath“-Server spielen wollen.

Solche radikalen Ansätze sind insgesamt eher selten. Vielleicht, weil man vom ultimativen Tod am Ende nur noch wenig lernen kann. Und ums Lernen und Weiterentwickeln geht es in Spielen auch, meint Josh Ge: „Den ultimativen Permadeath in Spielen gab es schon. Aber das Interessante ist ja, gerade bei Roguelike-Spielen, das persönliche Wachstum des Spielers. Im Roguelike gibt es zwar keine Progression in dem Sinne, dass man nach dem Tod Spielfortschritte mit in den Neustart nehmen könnte. Aber es gibt eine immense Meta-Progression in dem Sinne, dass der Spieler durch die Erfahrung persönlich im Spiel wächst.“

Der final-finale Tod ist etwas, das den Spieler nicht mehr wachsen, sondern im Tod quasi stagnieren lässt. Die Finalität des Todes bleibt also wohl ein Konzept, das dem Echtleben überlassen bleibt. Reicht ja vielleicht auch.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })