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Medien: Des Widerspenstigen Zähmung

Das Frauenmagazin „Emma“ wird 30 – die Erziehung der Männer dauert an

Von Caroline Fetscher

„Emma“, die erste Zeitschrift nur von Frauen für Frauen, wird heute ganz offiziell 30. Ihre Erfinderin Alice Schwarzer war wenig älter, als sie 1977 anfing, sie herauszugeben. Seitdem stehen die Namen „Emma“ und Alice fürs feministische Duo par excellence, Deutschlands Echo auf Nachbarinnen wie Simone de Beauvoir, Deutschlands robuste Antwort auf den Nationalsozialismus. Der hatte die Frauen ans Mutterkreuz nageln wollen und Jahrzehnte des Fortschritts verhindert, die es aufzuholen galt. Daher klang der Ton deutscher „Emmanzen“, notgedrungen, oft härter als etwa in Skandinavien, sei es bei Kampagnen gegen Pornografie oder den Paragrafen 218. Die Zeitschrift, kein Zweifel, musste sein, war ein Glücksfall für die Republik, und färbte, stärker oder blasser, auch ab auf die „Brigitte“ wie das Gesamtgenre der Frauenzeitschriften.

Selbstverständlich hat „Emma“ jetzt ein Jubiläumsheft an die Kioske gebracht. Überlebensgroß zeigt es auf dem Titel Alices linke Gesichtshälfte, ihr kritisches Auge, ihr festes Lächeln und die scharfe Falte der Kämpferin zwischen Nasenflügel und Mundwinkel. Innen ist das Heft randvoll mit brisanten Themen wie dem anonymen Bericht einer Prostituierten, Teil des Dossiers zur „Ware Frau“, Frauenarbeit und Armut, Alice Schwarzers Besuch bei einer Domina, der Dauerfrage, warum Frauen vor Spitzenposten zurückschrecken und einem Essay über die Krise des Mannes. Sicher, sie entsteht bei jeder neuen Welle der Frauenbefreiung, doch „die Existenz einer Bundeskanzlerin verstärkt die nervöse Grundstimmung der Männer, deren Überlegenheit quasi naturgegeben auf der Unterlegenheit der Frau fußt“.

1975, zwei Jahre, bevor Alice Schwarzer „Emma“ erfand, war ihr bekanntestes Buch erschienen: „Der kleine Unterschied und seine großen Folgen“, übersetzt in ein Dutzend Sprachen. Vom kleinen – geschlechtlichen – Unterschied her, legte Schwarzer dar, werden die großen Rollenentwürfe zu Mann und Frau konstruiert. Als dann „Emma“ auftauchte, sah die „Süddeutsche Zeitung“ in ihr „ein Dokument für die Entfremdung der Geschlechter“, der männliche Kritiker der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ gratulierte der „Dame Alice Schwarzer“, und prophezeite mit Großmut wie Weitblick: „Auf Dauer wird hier für die moderne Gesellschaft mehr Sprengstoff liegen, als in den Traumtänzereien verworrener Systemveränderer.“ Inzwischen importiert „Emma“ diesen Sprengstoff schon lange nicht mehr nur in die deutsche Mainstream-Gesellschaft, als eine der ersten entdeckte sie die Gefahren der islamistischen Revolution und deren Einfluss auf das Frauenbild von Migrantinnen. Farbig, glänzend, übersichtlich hat sich die „Emma“ von einst in ein Profimagazin verwandelt, immer noch mehr an der Faktenfront unterwegs als philosophisch oder psychoanalytisch orientiert. Längst dürfen Männer hier schreiben oder Auskunft geben, wie etwa der Hamburger Kommissar im 30-Jahre-Heft über männliche Täter und weibliche Opfer.

Vor ein paar Tagen hatte Sandra Maischberger in ihrer Sendung Alice Schwarzer zu Gast. Wie der ebenfalls geladene Horst Eberhard Richter in rührender Anerkennung und resignierter Hochachtung bemerkte, dominierte sie die Runde. Ihr Selbstbewusstsein, ihre Lautstärke, stimmt, das ist schon die Hälfte der Botschaft. Neben ihr erhielt sogar Frau Pauli, „Zerstoiberin“ der CSU, ihr Normalmaß zurück. Schon seien Gabriele Paulis Haare weniger provokativ getönt als noch vor kurzem, stellte Schwarzer fest: „Sehen Sie, wie das noch wirkt, wenn die uns zu Hexen machen wollen!“ Pauli ließ das so stehen, es stimmte ja ganz offensichtlich. Maischberger wollte wissen, ob Alice nun, nach Jahrzehnten des Aufklärens, an einer Zielmarke weiblicher Gleichberechtigung angelangt sei: Angela Merkel leitet die Bundesregierung, Hillary Clinton und Segolène Royal sind Kandidatinnen für höchste Staatsämter, sogar in der CSU findet sich eine echte Rebellin. Ja, bekennt Schwarzer, „das Patriarchat gerät in Panik“. Am Ziel sind die Frauen noch lange nicht, trotz Quoten und leicht verbesserten Statistiken bei der Verteilung von Lehrstühlen – über zehn Prozent der besten akademischen Posten gehen heute an Frauen. Das darf als Erfolg gelten.

Heute ist Alice Schwarzer milder, sie „kann mit Männern“, besonders, mit einigermaßen aufgeschlossenen und einflussreichen. Sie sagt gerne, dass es um Menschlichkeit geht, nicht um eine männliche und eine weibliche Sphäre der Gesellschaft, die wie zwei inkompatible Diskurssysteme aufeinanderprallen. Lockerlassen kann und will die „Emma“ aber keineswegs. Frauen, sagt Schwarzer, hätten bewiesen, dass sie alles können, was Männer können. Nun sei es an der Zeit, dass Männer beweisen, alles zu können, was Frauen können: Hausarbeit, Kindererziehung. Doch „Emmas“ Chefin ist realistisch. „Vor dem Hintergrund von 5000 Jahren Männerherrschaft“, beruhigt Alice Schwarzer die TV-Runde mit ihrem herben, nicht zu irritierenden Optimismus, „sind natürlich dreißig Jahre nicht viel.“

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