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Medien: Die SPD rechnet ab

Die Schatzmeisterin und der Sturz des „FR“-Chefs

Von Matthias Meisner

Jürgen Reents, Chefredakteur des „Neuen Deutschland“, glaubte seine Kollegen ertappt zu haben. „Linken-Chef zielt gezielt daneben“, hatte die „Frankfurter Rundschau“ getitelt – und einen Streit über Lothar Bisky beschrieben, der die Mauertoten zwar als „schlimmste Seite der DDR“ gebrandmarkt, zugleich aber die Existenz eines von oben verordneten Schießbefehls infrage gestellt hatte. Für Reents, den Chef der Linkspartei-eigenen Zeitung, war klar: Die „FR“ benutze die Todesschüsse an der Grenze „medial“, kein Wunder. Der SPD-eigene Medienkonzern DDVG ist an der Zeitung zu 40 Prozent beteiligt, früher waren es sogar 90 Prozent. Laut Reents schwimmt die „Rundschau“ inzwischen „im Kielwasser der SPD“, und „nicht nur das Papierformat der ,FR’ ist kleiner geworden“.

Das klingt nach einer Verschwörungstheorie, und in der Redaktion der „Frankfurter Rundschau“ wird es auch so empfunden. Und doch wirft der Streit ein neues Schlaglicht auf einen alten Vorgang: 2005 hat, wie ein dieser Tage bekannt gewordener Briefwechsel belegt, die Schatzmeisterin der SPD, Inge Wettig-Danielmeier, tatsächlich versucht, Einfluss auf die Berichterstattung der „FR“ zu nehmen. Dem damaligen Chefredakteur Wolfgang Storz schrieb sie, ihr sei an der „FR“-Berichterstattung zur Linkspartei „so mancherlei“ aufgefallen: „Manches davon zutreffend, manches sehr einseitig, gelegentlich auch provozierend, einiges davon auch uninformiert.“ Wettig-Danielmeier riet zur Veröffentlichung eines korrigierenden Beitrags zum Thema, Storz wiederum sah deshalb die „redaktionelle Unabhängigkeit berührt“. Die SPDSchatzmeisterin gab zurück, dieses könnte „auch auf einem Missverständnis über die redaktionelle Unabhängigkeit und Führung einer Redaktion beruhen“.

Was die Sache pikant macht, nachdem Storz Mitte 2006 gekündigt wurde: Anlass zur Selbstkritik sieht Wettig-Danielmeier nicht. Sie hätte damals sogar, so die Politikerin zum Tagesspiegel, „den richtigen Konflikt suchen müssen“. Es sei „nicht zu verantworten“ gewesen, dass die „FR“ zuweilen an einem Tag mit fünf oder sechs Artikeln über das Linksbündnis von Oskar Lafontaine und Gregor Gysi erschienen sei. Die „FR“ auf dem Weg zum „Propagandablatt der Linkspartei“ – „das war der Punkt, an dem ich allmählich Schwierigkeiten kriegte“. Entlassen worden sei Storz aber, weil er „die wirtschaftlichen Probleme“ nicht habe sehen wollen.

Storz sieht im Krach um die Inhalte der Zeitung den „entscheidenden Grund“ für seine Kündigung. Er spricht von einem „empörenden Fall von Einflussnahme“. Dabei habe er nur eine „kritisch-differenzierte“ Berichterstattung über die Linkspartei angeschoben – in der Annahme, dass deren Wählerklientel für die „FR“ ein „wichtiges Leser- und Käufersegment“ sei. Inzwischen übrigens nennt Wettig-Danielmeier die „FR“ „einigermaßen ausgewogen“. Und der neue Chefredakteur Uwe Vorkötter will den alten Streit nicht kommentieren. Seit seinem Amtsantritt 2006 habe die Redaktion „nicht den geringsten Versuch einer inhaltlichen Einflussnahme erlebt“. Matthias Meisner

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