Hörspiel-Adaption von „Lord Schmetterhemd“: Ein ungenierter Genremix, der seiner Zeit voraus war

„Tommy Krappweis dachte nach. Wie immer hatte er sich nicht vorher überlegt, was er eigentlich sagen wollte“, beginnt mit sonorer Stimme Erzähler Kai Taschner die Hörspiel-Premiere von „Lord Schmetterhemd“ in der Juristischen Bibliothek im Münchner Rathaus am Marienplatz. Dann überlässt er dem gespielt verlegen dreinblickenden Tommy Krappweis – der Regisseur, Skript-Autor und Produzent in Personalunion ist – das Wort. Selbstironie ist in den nächsten zwei Stunden Trumpf. Doch die Präsentation ist auch eine Verbeugung vor dem Werk des 2015 verstorbenen Max Kruse.

Pünktlich zum 100. Geburtstag des Sohns der legendären Puppenmacherin Käthe Kruse wurde einer seiner schönsten Kinderbuch-Klassiker im epischen Ausmaß mit einer Laufzeit von insgesamt neun Stunden vertont. Damit wurde von der Länge sogar das vierteilige Marionettenspiel der Augsburger Puppenkiste, die auch Kruses „Urmel“-, „Der Löwe“- und „Don Blech“-Buchreihen in Zusammenarbeit mit dem HR kongenial verfilmte, aus dem Jahr 1979 übertroffen.

[Die ersten drei Folgen von „Lord Schmetterhemd“ sind am 26. November als Boxset bei Edel Kids erschienen (19,99 Euro). Die weiteren Folgen werden jeweils als 3er-Boxset im Januar und März 2022 veröffentlicht.]

Während die „Stars an Fäden“ alle drei „Lord Schmetterhemd“-Bücher – „Besuch aus dem Jenseits“ (1974), „Der Tödliche Colt“ (1975) und „Der Geist des Großen Büffels“ (1976) – um die Episode „Der große Kojote“ erweiterten, und deren Synchronsprecher mit Gerhard Jentsch an der Spitze als Titelfigur auch noch ein wundervoll atmosphärisches Hörspiel beim nicht mehr existierenden Label Disneyland Records unter der Regie von Manfred Jenning aufnahmen, schmückt Tommy Krappweis die Saga noch aus.

Inklusive „Lord Schmetterhemd“-Song

Das 49-jährige „Münchner Kindl“, das mit „Bernd das Brot“ im KiKa Fernsehgeschichte für Alt und Jung schrieb, hat sogar einen „Lord Schmetterhemd“-Song („In Schottland stand ein Schloss“) komponiert, den er nun mit dreiköpfiger Band zum Besten gibt. Was hat ihn an der blaublütigen Serie von Max Kruse, der seiner chinesischen Frau zauberhafte (Bilder-)Bücher („Die kleine Fang“, 1966; „Shaofangs Reise“, 1981) widmete, aber auch religionskritische Schriften wie „Antworten aus der Zukunft“ (2008) verfasste, gereizt? „Max Kruses Freude am ungenierten ‚Genremix’ fasziniert mich damals wie heute: ‚Lord Schmetterhemd‘ ist eine Mischung aus Geistergeschichte, Western-Satire, Abenteuer und Humor!“, sagt er im Vorab-Interview. Für ihn war Kruse, den er persönlich kannte, mit „Lord Schmetterhemd“ „seiner Zeit weit voraus, auch im Bereich des gelungenen Family Entertainment. Dieses Genre fristet in Deutschland ein kümmerliches Dasein - und das, obwohl Disney/Pixar und Co. damit die ganze Welt unterhalten.“

Dies könnte sich mit „Lord Schmetterhemd“ ändern. Der Inhalt ist so abgefahren, dass er auch die heutige Kinder-Generation bestens unterhalten kann: Der vom Konkurs bedrohte Lord Mac Shnatterman (Stefan Günther) erhält auf seinem Schloss Bloodywood Castle Besuch von seinen verstorbenen Verwandten in überlebensgroßer Tiergestalt. Er nimmt diese Überraschung vergleichsweise gelassen hin. Doch sein treuer Diener Cookie Pott (Pascal Breuer) muss sich erst noch an Truthenne Tante Turkey (Dana Geissler), Bernhardiner Onkel Bernie (Oliver Kalkofe) und Kaninchen Onkel Rabbit (Bastian Pastewka) gewöhnen. Zur Vorbereitung auf kommende Abenteuer verzaubern die Geister verschiedene Gegenstände ihres Verwandten, so auch dessen Frackhemd, an dem nun jede Gewalteinwirkung abprallt. Daraufhin bekommt er den Beinamen Lord Schmetterhemd… Karl May lässt also schön grüßen.

Den mittels Twitch zugeschalteten Zuschauern gefällt es, die positiven Chat-Kommentare nehmen kein Ende. Fortsetzung folgt garantiert!