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Ganz bei sich. Der frühere "Bild"-Chefredakteur Julian Reichelt war in der "Talkrunde «Links. Rechts. Mitte - Das Duell der Meinungsmacher" im österreichischen Fernsehsender Servus TV zu Gast. Es war Reichelts erster TV-Auftritt seit dem Abgang bei "Bild" Mitte Oktober 2021.

© dpa

Ex-„Bild“-Chef bei Servus TV: Reichelt kündigt Rückkehr mit eigener Plattform an

Der frühere „Bild“-Chefredakteur nennt seinen Rauswurf bei Springer falsch. Nun wolle er mit einer neuen Plattform eine „Marktlücke“ füllen.

Julian Reichelt ist von der großen Bühne gescheucht worden. Verscheucht worden, weil der Medienkonzern Axel Springer ihn Mitte Oktober 2021 als Chef von "Bild", Bild.de und Bild TV entlassen hatte. Springer-Vorstand Mathias Döpfner warf Reichelt vor, dass der Chefredakteur auch nach Abschluss eines Compliance-Verfahrens im Frühjahr 2021, das ihn noch entlastet hatte, Privates und Berufliches nicht klar getrennt und dem Vorstand darüber die Unwahrheit gesagt habe.

Die Vorwürfe von Machtmissbrauch und #MeToo gegen ihn seien "falsch", sagte Reichelt in der Talkrunde "Links. Rechts. Mitte - Das Duell der Meinungsmacher“ im österreichischen Privatsender Servus TV am Sonntagabend. Es war der erste TV-Auftritt des 41-Jährigen nach seinem Rauswurf bei Springer.

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Genauso "falsch" sei die Entscheidung des Konzern gewesen, ihn zu entlassen. Es sei eine "extrem bittere Erfahrung" gewesen. Julian Reichelt sieht sich als Opfer, wo es ihm als "Bild"-Chef nicht gerade gequält hatte, wenn die Berichterstattung Menschen zu Opfern gemacht hatte.

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Mit der Frage konfrontiert, ob er verstehen könne, dass nach seinem Rausschmiss der eine oder andere Beobachter Schadenfreude empfinden könne, sagte er: „Schadenfreude war jetzt nie mein zentrales Element im Boulevardjournalismus, sondern das zentrale Element sind einerseits Fakten und zweitens Emotion. Ich glaube, es ist vollkommen legitim, aus Fakten Emotionen zu machen, aber niemals aus Emotionen Fakten. Letzteres ist das, was mir passiert ist, aber auch das geht vorbei.“

Die Entscheidung Springers, sich von Reichelt zu trennen, sei auf jeden Fall in einem Klima getroffen worden, "das aus meiner Sicht furchterregend ist." Cancel Culture, Woke-Atmosphäre, alle gegen einen, der Einzelkämpfer (für seine Wahrheit) ist von der Meute zur Strecke gebracht worden. 

Große Überzeugung, frei von Selbstzweifel

Der Auftritt bei Servus TV zeigte, wie einer gebaut sein muss, der Deutschlands größte Boulevardmarke erfolgreich steuern wollte: mit großer Überzeugung, frei von Selbstzweifeln, in Opposition zur Regierung und der anhängigen Mainstream-Medien. So einer kann und wird auch künftig nicht schweigen.

Julian Reichelt will sich in eine "Marktlücke" hinein engagieren: Journalismus, der nach den Fakten suche und sage, was ist und nicht das sage, was Regierende gerne gesagt hätten. „Ich hoffe, dass ich diese Marktlücke bald helfen darf zu füllen mit sehr vielen spannenden Menschen, mit denen ich gerade spreche.“ Konkreter wurde Reichelt nicht, er sprach lediglich von einer „neuen Plattform“.

Er bekräftigte zugleich, dass er nicht bei dem TV-Sender aus Österreich beginnen werde: „Zu Servus TV komme ich nicht.“ Vor einiger Zeit war darüber im Netz spekuliert worden.

Viel Sendezeit für Reichelt über Reichelt

Julian Reichelt bekam in der Talkrunde, die das Thema "Streit um die Impfpflicht - Hören Politiker und Medien auf die falschen Experten?" diskutieren wollte, ausreichend Zeit, über sich selbst zu sprechen. Ob dieser Schwerpunkt das österreichische Publikum des Senders, der dem Red-Bull-Fabrikanten Dietrich Mateschitz gehört, in dieser Breite interessiert hat?

Reichelt erläuterte und interpretierte aber nicht nur seine eigene Person, der Meinungskrieger gab zugleich zu erkennen, was er von Impfpflicht und Pandemie-Maßnahmen hält - wenig bis gar nichts. Omikron sei eine sehr milde Variante des Virus, die nur in seltenen Fällen zum Tode führen würde, die staatlichen Eingriffe ins Leben der Bürger seien, egal ob in Deutschland oder in Österreich, übergriffig.

Es gebe eine verschwimmende Grenze zum Totalitarismus. Reichelt war mit seinen Ansichten und Einsichten nicht allein, die - Minimum - Impfspektikerin Sängerin Jule Neigel attestierte und assistierte eifrig. Auch die Gegenweite war nicht nur mit dem Mathematiker Peter Markowich vertreten.

Heftig, laut und polemisch war die Auseinandersetzung, zugleich zeigte sich - vielleicht als Vorbild für Talkshows im deutschen Fernsehen -, dass eine Gesprächsrunde zum überragenden Thema der Stunde auch mit Gegnern einer Impfpflicht nicht über die Ufer treten muss.

Julian Reichelt wird aus der Runde nicht angekränkelt herausgekommen sein. Auf Twitter gibt es Zuspruch. Und es wird ihn kaum verstören, dass der neue "Bild"-Chefredakteur Johannes Boie namhafte Vertreter jener Wissenschaftseinrichtungen Ende Januar zum Gespräch eingeladen hat, die der Ex-Chef so eifrig bekämpft hatte.

Julian Reichelt wird dann auf Skiurlaub in Österreich sein. Freilich muss er, wie er mit bebender Stimme berichtete, beim Skilift mit FFP2-Maske auftauchen müssen. Der Kampf des Julian Reichelt ist längst nicht ausgekämpft.

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