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LeFloid kommentiert auf Youtube das Weltgeschehen.

© M.Threlfall

re:publica 15: Geld versus Gerechtigkeit

Die einen wollen verdienen, die anderen die Welt verbessern. Wem nützt das Internet, und was braucht es dafür? Tag zwei auf der Digitalkonferenz re:publica.

In London stehen jetzt die ersten Youtuber als Wachsfiguren bei Madame Tussauds. In den USA verdienen Hunderte mit dem Hochladen von Youtube-Videos ihren Lebensunterhalt. In Deutschland erst ein paar wenige. Florian Mundt, 27, Netzname „LeFloid“, gehört dazu – und wie sehr ihm das Publikum am Dienstag in der völlig überfüllten Halle an den Lippen hängt, mag Anzeichen dafür sein, dass viele es ihm gern gleichtäten. Was also ist Ihr Geheimnis, Herr LeFloid... was die beste Strategie, um vom Spaß- zum Berufsyoutuber aufzusteigen? Die Antwort klingt wenig nach Rock’n’Roll, aber sensationell ehrlich: „Regelmäßiges und termingerechtes Hochladen“, sagt der Social-Media-Popstar. Durchschnittliche Youtube-Konsumenten seien schließlich Gewohnheitstiere.
Wer dieses Jahr durch die Hallen von Europas wichtigster Netzkonferenz schlendert, bekommt schnell den Eindruck, dass sich das Gros der 6000 Teilnehmer in zwei Lager unterteilen lässt, und zwar entlang ihrer Motivation: Die einen wollen Geld verdienen, die anderen weltverbessern. Jungunternehmer neben Altruisten, Ego neben Schwarm, oftmals auch gegen. Der Anteil der Gemeinnützigen, die über Politik- und Moralfragen diskutieren wollen, ist enorm. Das klingt mal abseitig wie beim Vortragstitel „Fair Porn: Von Lust und Gewissen“, meistens aber hoch relevant.
Durchwachsene Erfahrungen mit Engagement in sozialen Netzwerken hat die Artenschutzorganisation WWF gemacht. Während sich Twitter zum Verbreiten von Online-Petitionen und Facebook zum Teilen von Tigerbabybildern eigne, sei man auf Youtube lange praktisch unauffindbar gewesen, sagt WWF-Sprecher Marco Vollmar. Denn das Kürzel steht gleichzeitig für eine US-amerikanische Wrestlingliga. Wer bei Youtube „WWF“ eintippte, bekam also schwitzende Muskelprotze geboten.

Dank professioneller Beratung haben es die Artenschützer mittlerweile geschafft, wenigstens einzelne Videos weit oben in die Trefferlisten von Suchanfragen zu hieven. In einem skatet ein Kerl im Ganzkörper-Pandakostüm über die Kölner Domplatte. Mittlerweile hat der WWF 6000 Youtube-Abonnenten, das ist natürlich noch im „niedrigstschwelligen Bereich“, gibt Vollmar zu. Florian Mundt alias LeFloid kommt auf 2,7 Millionen, Tendenz steigend.

Selbst wer sich im Netz konsequent fürs Weltverbessern entscheidet, weiß damit noch lange nicht, wie er sich verhalten soll. Gutgemeintes kann Schaden anrichten und umgekehrt. Das betrifft auch das Verbreiten von Fotos in sozialen Netzwerken: Wer etwa ein Bild der Schauplätze von Terroranschlägen teilt, will wahrscheinlich Empathie zeigen, sein Mitgefühl bekunden. Gleichzeitig hilft er den Gewalttätern aber auch ungewollt beim Verbreiten ihrer Botschaft. Was wir brauchen, ist eine „Ethik des Teilens“, sagt deshalb die Stuttgarter Kommunikationstheoretikerin Petra Grimm – und einen „inneren Werte-Kompass“. Wie der konkret aussehen könnte, bleibt abgesehen von wenigen Konsensgedanken (kein Mobbing, kein Verbreiten von Verschwörungstheorien, kein Clickbaiting) erstmal unklar.

Terror ist auf der diesjährigen Konferenz gleich mehrfach Thema. Die Blogger Sascha Stoltenow und Thomas Wiegold haben analysiert, inwiefern die Kommunikationsstrategien des sogenannten „Islamischen Staats“ denen moderner Start-Ups oder sogar deutscher Großkonzerne ähneln. Erschreckendes Ergebnis: Wenn BMW in einem Online-Filmchen junge Menschen zu einem Praktikum überreden will, wirkt das unprofessioneller – ja unfreiwillig komischer – als das Pendant der Islamisten. Geradezu desaströs sind zudem die bisherigen Versuche des Westens, der digitalen IS-Propaganda zu trotzen. Die Amerikaner zum Beispiel werfen immer noch Flugblätter ab.

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