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Hollywood-Star Denzel Washington: Die gläserne Decke
Eine Arte-Dokumentation zeichnet Denzel Washingtons Aufstieg zum Megastar nach und spart ein heikles Thema nicht aus.
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Er veränderte das Gesicht der Filmindustrie. Er wurde zum Popstar und schließlich zum Paten des Neuen Schwarzen Hollywood. In ihrem filmischen Porträt rekapituliert Sonia Dauger die Karriere von Denzel Washington, der Grenzen verschob und heute in einem Atemzug genannt wird mit Spencer Tracy, Marlon Brando und Paul Newman („Denzel Washington – Spiegelbilder Amerikas“, Arte, Sonntag, 22 Uhr 10).
Bis ein Schwarzer den Gipfel des Ruhms erklimmen konnte, mussten Afroamerikaner einen weiten, steinigen Weg zurücklegen. Als erste farbige Künstlerin erhielt Hattie McDaniel 1940 einen Oscar. In dem Melodram „Vom Winde verweht“ verkörperte sie allerdings nur die klischeehafte Nebenrolle einer unterwürfigen Bediensteten.
24 Jahre später bekam Sindney Poitier als erster farbiger Darsteller den Oscar für eine Hauptrolle. Weitere 20 Jahre zogen ins Land, bis Denzel Washington in Erscheinung trat. Die 1980er galten als Periode der Öffnung. Als eine der ersten Serien mit schwarzer Besetzung wurde die „Bill Cosby Show“ erfolgreich.
In dieser Ära machte Denzel Washington als Doktor in der Krankenhausserie „Chefarzt Dr. Westphall“ auf sich aufmerksam. Die Rolle ebnete ihm den Weg für seinen ersten bedeutenden Leinwandauftritt. In dem Apartheidsdrama „Schrei nach Freiheit“ setzte er Akzente als Steve Biko, den Gründer der Black Consciousness Movement (BCM).
Das Thema der schwarzen Identität bestimmte auch seine weiteren Rollen. In „Glory“, einem Historiendrama über ein farbiges Bataillon im amerikanischen Bürgerkrieg, spielt er einen Soldaten, der ausgepeitscht wird. Durch den Augenkontakt mit dem befehlenden Offizier, dem er keine Sekunde ausweicht, wird Erniedrigung zur Stärke.
Mit dieser einen Szene, die ihm einen Oscar als Nebendarsteller einbrachte, sprengte Denzel Washington die Leinwand. Der große Durchbruch war ihm im latent rassistischen Hollywoodsystem aber noch verwährt. Dabei hätte er die begehrte Auszeichnung schon Jahre zuvor verdient gehabt. Seine Darstellung des Black-Muslim-Anführers Malcolm X in Spike Lees epischer Filmbiographie war ein Meilenstein.
Zu einem Wendepunkt wurde das Gerichtsdrama „Philadelphia“. Denzel Washington überzeugte als homophober Anwalt, der über seinen Schatten springt und einen Aids-kranken, weißen Schwulen verteidigt. Wenn dieser Anwalt sich mit einem Homosexuellen identifizieren konnte, ohne homosexuell zu sein, dann – so der Subtext – war die Zeit reif dafür, dass auch das weiße US-Publikum sich mit einem Schwarzen identifizieren konnte, ohne selbst schwarz zu sein. Fortan wurden Blockbuster wie „Crimson Tide“, der vor dem Filmporträt ausgestrahlt wird, auf ihn zugeschnitten.
In Liebeszenen mit einer weißen Frau zeigt er niemals Freude
Ein heikles Thema ist nach wie vor die Darstellung von Liebesszenen zwischen Menschen unterschiedlicher Hautfarben. In der Buchvorlage zu „Die Akte“ gibt es eine schwarz-weiße Romanze. Auf der Leinwand, wo der Star neben Julia Roberts auftritt, wird die Romanze ausradiert Der Schauspieler selbst, so stellte sich später heraus, änderte das Drehbuch ab.
Denzel Washington spielt mit den Codes. In seltenen Liebeszenen mit einer weißen Frau zeigt er niemals Freude. Die Phantasien Hollywoods, wo weiße Frauen für Schwarze als unerreichbares Objekt gelten, werden so gegen den Strich gebürstet.
Die Doppelmoral des Filmgeschäfts verweigert ihm aber nach wie vor die größte Ehre. Erst mit „Training Day“, einem Drama, das in den Elendsvierteln von Los Angeles spielt, durchbricht Denzel Washington diese gläserne Decke: 2002 erhält er seinen ersten Oscar für die beste Hauptrolle – als erster Schwarzer nach Sidney Poitier.
Als Spezialist für gebrochene Charaktere wird Denzel Washington endgültig zur Marke. Das „People Magazin“ kürt ihn 1996 als ersten Schwarzen zum „sexiest man alive“. Erfolge verbucht er auch hinter der Kamera. Seine Regiearbeit „Fences“ erhält eine Oscarnominierung.
Inzwischen verbeugen sich schwarze Filmemacher der nächsten Generation vor ihrem Vorbild: Der afro-futuristische Science-Fiction-Film „Black Panther“ zitiert stilbildende Auftritte von Denzel Washington. Zahlreiche Filmausschnitte sowie Interviews mit Kollegen führen eindrucksvoll vor Augen, wie der heute 67-Jährige mit seiner Leinwandpräsenz in den vergangenen 40 Jahren das Selbstbild Amerikas veränderte.
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