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Problemlösung ab Mitte 40. Beate (Ulrike Kriener) und Oliver (Oliver Stokowski) kommen sich wieder näher. Foto: ZDF

© Kerstin Stelter

Klimawechsel: Frauen wollen Sex

Es sind schwere Geschütze, die in Doris Dörries sechsteiliger Fernsehserie "Klimawechsel" am Rande der Geschmacksgrenze aufgefahren werden Die Mini-Serie geht in die letzte Runde.

Verklemmte Ziege oder neurotische Wachtel? Hormonyoga und Botox-Spritze oder besser gleich eine Bruststraffung und/oder chirurgische Vaginaverengung? Es sind schwere Geschütze, die in Doris Dörries sechsteiliger Fernsehserie „Klimawechsel“ am Rande der Geschmacksgrenze aufgefahren werden. Doch sie werden von Frauen – zwei Drehbuchautorinnen und drei Regisseurinnen – für Frauen aufgefahren, und das im besten Sinne der Aufklärung: „Klimawechsel“ beweist mit komischer Brachialgewalt, dass Frauen zwischen Mitte vierzig und Mitte fünfzig keine Farm in Afrika erwerben und sehnsuchtsvoll in die Wüste blicken müssen, um fürs Fernsehen relevant zu sein.

Nein, diese gestandenen Zeitgenossinnen bewegen sich sichtbar im Hier und Jetzt. Sie fordern ein, was für Männer mit silbergrauen Schläfen selbstverständlich ist: ein erfülltes Sexualleben. Ulrike Kriener tut dies als frustrierte, rotgewandete Mathematiklehrerin Beate Busch in der Therapie bei Dr. Dieter Dumont (brillant sarkastisch: August Zirner) derart lautstark, dass der sensible Allergiker beinahe hintüberfällt und sich mit seinem Kaschmirschal stranguliert. Als sich Beate mit einem schwäbischen Callboy trifft und der seinen Tangaslip auf ihren Fuß fallen lässt, zieht sie diesen erschreckt zurück und sucht das Weite. Wohlstandsprobleme? Sicher, aber selten wurden sie so knackig in Szene gesetzt.

Es sei schwierig gewesen, „in diese Peinlichkeitskiste zu greifen und sich dabei nicht zu schonen“, sagt Ulrike Kriener, die, wie das ganze Team, mitreißend, spontan und mit sichtlichem Spaß agiert. So verfolgt Sophie von Kessel als gestrenge Rektorin mit einer unvergleichlichen Mischung aus Abscheu und Vorahnung den Hormonzirkus ihres alternden Kollegiums. Die Frauen leiden unter fortwährenden Kränkungen und dem demütigenden Buhlen um männliche Aufmerksamkeit. Noch nie sah man Andrea Sawatzki derart komisch und verzweifelt wie als brünette, bayerische Kunsterzieherin Desirée Dische. Erst in der Nervenklinik findet die allseits Überforderte unter einem Kruzifix den ersehnten Schlaf. Und auch hinter der schauderhaft zynischen Frauenärztin Dr. Evelyn Bach (Maren Kroymann) verbirgt sich in Wahrheit ein verletztes Mutterherz.

In der abschließenden Folge „Schmetterlinge“ wird Beate ihren resignierten Gatten (Oliver Stokowski nahm für die Rolle extra zu) endlich beim gemeinsamen Tantrakurs als Mann neu entdecken. Auch Angelika (Maria Happel) wird ihr Kopftuch wieder ablegen und nicht länger als „alte weise Frau im Kartoffelsack“ im freiwilligen Zölibat verharren. Die füllige Deutschlehrerin war allmorgendlich vor dem Diätterror ihres Mannes in die nächstbeste Bäckerei und in die Tröstungen des Sufismus geflüchtet. Dieser sympathischen Phlegmatikerin ordnet die subtile Dramaturgie der Farben und Temperamente das spirituelle Lila zu, der introvertierten Biologielehrerin Cornelia Koch (Juliane Köhler ungeahnt komödiantisch), die späten Mutterfreuden entgegensieht, das träumerische Blau.

Die Episoden aus dem aufreibenden Alltag von vier Münchner Gymnasiallehrerinnen sind absolut zeitgenössisches, mutiges Fernsehen. „Klimawechsel“ ist ein „Aufreger“ im besten Sinne, dabei von einer stupenden Liebe zum Detail, zu den kleinsten Nebenrollen sowie zu den Schauplätzen getragen. Sie wolle es sich mit möglichst vielen Berufsverbänden verderben, hatte Doris Dörrie vorab gesagt. Ihre Chancen stehen gut.

„Klimawechsel“, ZDF, 21Uhr

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