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Palais Fl*uxx: Leuchten für Fortgeschrittene
Ältere schauen auf die Welt: Silke Burmester betreibt mit Palais F*luxx eine Plattform für Frauen ab 47.
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Manchmal bringt Schmerz etwas Gutes hervor. Wehen bei einer Geburt oder Krankheiten, aus denen wir gestärkt und mit neuer Lebensfreude herausgehen etwa. Silke Burmester hat ihren Schmerz in einem neuen Projekt aufgehen lassen, das Licht ins Dunkel bringt – und den Scheinwerfer auf jene richtet, die bislang medial eher unterrepräsentiert waren: Frauen ab 47 Jahren.
Journalistin Burmester, selbst Jahrgang 1966, arbeitete in den vergangenen vier Jahrzehnten auf unterschiedlichen Positionen in unterschiedlichen Redaktionen, darunter „Amica“, „Spiegel Online“ und „Die Zeit“. Sieben Jahre lang schrieb sie als „Kriegsreporterin“ eine „taz“-Kolumne über die Medienbranche. Sie veröffentlichte drei Bücher, zuletzt „Mutterblues – Mein Kind wird erwachsen, und was werde ich?“. Darin umschrieb Burmester selbstironisch den Abschiedsschmerz als Mutter eines Heranwachsenden, der bei ihr – als sogenannter Spätgebärender – zeitlich zusammen fiel mit dem Beginn der Wechseljahre. Burmester traf damit einen Nerv, sie selbst erinnert sich an rührende Leserzuschriften: „Frauen bedankten sich dafür, dass ich für sie einen Raum geschaffen hatte, in dem es okay war, Trauer zu empfinden. Sie merkten, dass sie mit diesen Gefühlen nicht allein sind.“
www.palais-fluxx.de
Die Tür zu diesem Raum blieb geöffnet, Burmester behielt das Thema all die Jahre im Hinterkopf. Nun hat sie den Raum erweitert und mit „Palais F*luxx“ zu einem Palast ausgebaut. Auf www.palais-fluxx.de bietet sie Frauen ab 47 eine Plattform für ihre Themen. Das können Porträts über interessante Frauen ebenso wie Rezensionen von Büchern, Filmen oder Fernsehsendungen sein. Es gibt eine virtuelle Galerie („Empore“), Kolumnen wie Burmeisters „My Tipsy Hat“ über „das stilvolle Trinken“ oder den „Salon Privé“, in dem „wochenweise Sex“ inklusive passender Playlist serviert wird. Diese Rubrik mit anonymisierten Tatsachenreports aus dem Intimleben reiferer Frauen wird – wenig überraschend – am stärksten geklickt.
Ihr Anspruch: „Es darf nicht willkürlich sein, der Blickwinkel ist immer der einer Frau ab 47 Jahren. Denn es macht einen Unterschied, ob ich als junge Frau oder als Ältere auf die Welt schaue“, sagt Burmester. „Die Lebenserfahrung, die Lebensrealität muss deutlich sein.“ Sie will Selbstverständnis vermitteln. „Mitunter gehen wir aus den Fugen, werden faltig, wir haben eine schwierige Zeit. Aber gleichzeitig erwacht etwas neu. Das alles gehört zu uns.“

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Frauen in einer elementaren Krise
Mit den Wechseljahren habe bei ihr eine Veränderung eingesetzt, die sie sich nicht hätte vorstellen können. Da waren die körperlichen Veränderungen, die sich verändernde Wahrnehmung der anderen. „Ich wurde im Restaurant nicht mehr gesehen, mein Sohn brauchte mich als Mutter nicht mehr.“ In diesem Alter werden Partnerschaften neu bewertet, oft fehlt eine berufliche Perspektive. „Es scheint alles auserzählt, die Entwicklungsmöglichkeiten fehlen. Das stürzt viele Frauen in eine elementare Krise.“
Der Klischeemann legt sich in den Wechseljahren ein Boot, ein Motorrad oder eine junge Partnerin zu. „In meiner Wahrnehmung ist es so: Männer brechen auf, wir brechen zusammen“, sagt Burmester. Sie sagt, ihr fehlten die realistischen, die ermutigenden Vorbilder. Dieser Verunsicherung in all ihren Facetten Raum zu geben, sie mit Witz und Ironie in etwas Konstruktives, Positives zu verwandeln, gemeinschaftlich Kraft zu schöpfen – das ist ihr Ansatz für Palais F*luxx. Denn: „Das alles ist schwer auszuhalten, wenn man nicht darüber lachen kann.“
Mitten in der Pandemie ging palais-fluxx.de „mit Hilfe von 2000 Euro Neustartprämie und vielen Stunden unbezahlter Arbeit“ online. Sie startete ohne Businessplan oder Investorenkapital, sondern schaffte einfach Tatsachen.
Für faire Honorare engagiert
Silke Burmester, Mitglied bei „Pro Quote“ und „Freischreiber", engagiert sich seit Jahren für faire Honorare. Nun ist sie selbst in der Arbeitgeberrolle – und kann nichts bezahlen. Es gibt zwar ein freiwilliges Bezahlmodell über die Crowdfunding-Plattform Steady, doch noch kommt nicht viel rein. Ein Team kümmert sich um technischen Support, Lektorat und anderes. Die Inhalte steuern Bekannte, Freundinnen und Leserinnen bei, zum Teil veröffentlichen Autorinnen Artikel, die originär in anderen Medien erschienen sind. Burmester hofft auf Sponsoren. Und seit Februar gibt es Donnerstagabends „Palais Fluxx Studio47“-Themenabende über die App Clubhouse.
Silke Burmester und ihre Mitstreiterinnen wollen sich nicht verstecken, sie wollen gesehen werden. „Wenn schon die Gesellschaft nicht den Scheinwerfer auf uns richtet, machen wir es eben selbst.“ Der Untertitel ihres Palais F*luxx: „Leuchten für Fortgeschrittene“.
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