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"taz"-Chefredakteur Georg Löwisch in den zukünftigen Redaktionsräumen des neuen Gebäudes der Zeitung.

© Carsten Koall/dpa

"taz" stellt neues Verlagshaus vor: Marke und Mythos

Die „taz“ stellt ihr neues Verlagshaus vor - und bekräftigt ihr Vorhaben, ab dem Jahr 2022 nur noch digital zu erscheinen.

Als am 27. September 1978 erstmals die Nullnummer einer gedruckten „taz“ erschien, produziert in der Charlottenburger Suarezstraße, sollte es noch neun weitere Nullnummern und über ein halbes Jahr dauern, bis die Zeitung täglich produziert wurde, mit einer Druckauflage von immerhin 63.000 Exemplaren, von denen 20.000 verkauft wurden 7000 an Abonennten gingen. Als nun an diesem schönen frühen Septembermontag knapp vierzig Jahre später die „taz“–Führung erstmals ihr neues Verlagshaus in der Friedrichstraße 21 vorstellt, ist das für „taz“-Geschäftsführer Karl-Heinz Ruch abermals ein Anlass, sein Szenario einer Medienwelt ohne eine täglich gedruckte „taz“-Ausgabe zu entwerfen, beginnend mit Montag, 3. Januar 2022. Ab diesem Tag soll Schluss sein mit dem täglichen Papier und es nur noch eine gedruckte Zeitung am Ende der Woche geben, die „taz am Wochenende“.

Ruch, der Ende 2019 aufhört und für den auch ein Nachfolger gefunden worden ist, hatte das bereits vor einem Monat den Eigentümern und Eigentümerinnen der Zeitung, der seit 1991 bestehenden „taz-Genossenschaft“, in einem Schreiben mitgeteilt; die „Transformation der Zeitung ins digitale Zeitalter“ war dann am vergangenen Wochenende auf der Genossenschaftsversammlung diskutiert worden; und nun präsentiert Ruch Zahlen, die belegen, dass die Umsätze der Zeitung zwar zurückgehen, die Erträge sich aber durch die Einsparung von Druck-, Vertriebs-, und Zustellungskosten leicht erhöhen werden. So wie auch der branchenübliche, durchaus dramatische Abo-Rückgang innerhalb eines Jahrzehnts von 45.139 auf 27.246 aufgefangen worden ist: durch 6000 E-Paper-Abos, 13.000 "taz am Wochenende"-Abos und einer Kombination aus beiden.

Der Kai-Diekmann-Penis bleibt

Man wolle in dem neuen Haus „nicht in Schönheit sterben“, betont Ruch mehrmals – auch weil er sich sicher ist, dass sich seine Zeitung grundsätzlich keine finanziellen Sorgen wegen des Neubaus machen muss. Der ist finanziert, mit Senats- und Genossenschaftsmitteln, und als Immobilienbesitzerin vermietet die „taz“ ihr altes Haus in der Rudi-Dutschke-Straße für die kommenden drei Jahre zunächst an das bis dato am Moritzplatz residierende Betahaus mit seinen sogenannten Coworking-Spaces, im übrigen weiterhin mit dem Kai-Diekmann-Penis-Kunstwerk an der Seite des Gebäudes.

Einen kühlen, nüchternen Eindruck macht das noch nicht ganz fertige sechs-etagige Gebäude mit seiner schrägen Trägerkonstruktion, um das Treppenhaus in der Mitte gruppieren sich Geschoss für Geschoss die lichten, aber vielleicht etwas niedrigen Redaktionsräume. Zwischen Mitte und Ende Oktober zieht die Redaktion um – und arbeitet nicht nur an der noch täglich gedruckten Ausgabe, sondern legt zunehmend ihren „Fokus auf die jungen Produkte“, wie Chefredakteur Georg Löwisch das in schönstem Wirtschaftsdeutsch ausdrückt, auf E-Paper, App, „ taz.de“ und der Wochenendausgabe. Ansonsten liegt der Fokus natürlich auf den 40. Geburtstagsfeierlichkeiten, die ja „bei uns immer ein halbes Jahr dauern“, wie taz-Marketingchef Willy Vogelpohl sagt. Es gibt ein großartiges, großformatiges, über 400 Seiten starkes Buch, das den Mythos feiert, die Marke stärkt und die Zukunft nur am Rande streift. Von außen jedenfalls ist die „taz“ bestens aufgestellt. Zur Schönheit müssen nun bloß wieder ein paar wegweisende, nicht zuletzt inhaltliche Eigenheiten kommen.

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