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Wenn das ZDF Erneuerung braucht, sollten die Beitragszahler mitreden können.

© dpa / dpa/Sebastian Gollnow

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk: Was will der Bürger von ARD & Co.?

Die Rundfunkkommission will sich einen Zukunftsrat geben. Ein Bürgerforum wäre als Ergänzung sinnvoll.

Von
  • Leonard Novy
  • Henning Banthien

Stand:

Schlesinger-Skandal, Gremien, Intendantengehälter. Und über alledem schwebt die Frage, wie ARD und ZDF die asymmetrische Auseinandersetzung mit Netflix und den großen Plattformen bestehen soll. Das System öffentlich-rechtlicher Medien befindet sich an einer kritischen Weggabelung. Das haben auch die für Medienpolitik zuständigen Länder erkannt. Nun soll es ein „Zukunftsrat“ richten und Impulse für die Neuaufstellung von ARD, ZDF und Deutschlandradio liefern. Viel ist bislang nicht bekannt, in den nächsten Tage werden Details zur Besetzung und Auftrag erwartet.

Wo bleiben die Taten?

Und so stellt sich die Frage, ob die Politik ihrer mantrahaft vor sich her getragenen Ankündigung, die Gesellschaft stärker in die Debatte einzubinden, Taten folgen lässt. Oder ob sich der Zukunftsrat am Ende in die lange Liste prominent besetzter Expertenkommissionen einreiht, die von der Politik gerne dann eingesetzt werden, wenn sie über traditionell-parlamentarische Verfahren nicht weiterkommt, und deren unter Ausschluss der Öffentlichkeit entwickelten Empfehlungen irgendwann, wenn schon keiner mehr damit rechnet, ex cathedra vorgestellt werden, um dann weitgehend folgenlos zu bleiben. Gut, dass wir darüber geredet haben…

Welche Rolle haben ARD, ZDF und Deutschlandradio in einer sich verändernden Gesellschaft und Medienwelt? Mit welcher Aufstellung, welchen Arbeitsweisen sollen sie diese erfüllen – heute und, eingedenk technologischer und gesellschaftlicher Veränderungen, in den nächsten Jahren? Welche Erwartungen haben die Bürger:innen? Schließlich: Wie lässt sich die Mitsprache der eigenen Mitarbeiter:innen zeitgemäß und effektiv organisieren? Solche Fragen kann kein Expertenrat allein lösen.

Die Fähigkeit unserer repräsentativen Organe – Parteien, Kirchen, Gewerkschaften oder Sozialverbände – Gesellschaft als Ganzes zu vertreten, ist in Zeiten Singularisierung deutlich eingeschränkt. Dazu kommt: Es stehen uns heute allein technisch ganz andere Möglichkeiten der gesellschaftlichen Beteiligung zur Verfügung als zu der Zeit, als die im Zuge der RBB-Affäre viel gescholtenen Gremien, deren Zusammensetzung und Arbeitsweise ja der Repräsentation der Gesellschaft dienen soll, konzipiert wurden.

Beteiligung zulassen!

Niemand fordert den Komplettumbau der deutschen Rundfunkordnung nach Maßgabe direktdemokratischer Verfahren. Aber gerade mit Blick auf die Akzeptanz repräsentativer Verfahren (und die solidarische Finanzierung der Öffentlich-Rechtlichen), ist es sinnvoll, Beteiligung zuzulassen. Zumal die Einbindung von Bürger:innen bei gesellschaftlich relevanten Fragen, entsprechend organisiert, nicht nur Vertrauen schafft, sondern auch wichtige innovative Impulse liefert. Das belegen Beispiele aus anderen Politikbereichen im In- und Ausland. Paradoxerweise jedoch erschöpfen sich bestehende Angebote, gerade wenn es um ARD, ZDF und Deutschlandradio geht, bislang in wenig attraktiven und in der Regel folgenlosen Konsultationsverfahren zu Gesetzesvorhaben und PR-getriebene Dialogformaten der Sender.

Hier ist deutlich mehr möglich – wenn man die Bürger:innen als Teilhaber und Auftraggeber öffentlich-rechtlicher Medien, nicht Kunden und Programmkritiker, ernst nimmt und die Grundregeln „guter Beteiligung“ berücksichtigt: Transparenz, Erwartungsmanagement und Konsequenz.

Eine Möglichkeit wäre es, den geplanten Expertenrat durch ein Bürgerforum zu ergänzen, wie es auch Tabea Rößner (Bündnis90/Die Grünen) und der Medienrechtler Karl-Eberhard Hain in der „FAZ“ gefordert haben. Dieses Bürgerforum wäre ein gelostes Gremium, analog zu den Bürgerräten des Bundestags. Zufällig ausgeloste Einwohner:innen, die in Alter, Geschlecht, Herkunft, Bildung und Beruf sowie ihrer Mediennutzung ganz Deutschland repräsentieren, beraten mit Unterstützung von Expert:innen zu vorher klar umrissenen Fragen. Sie kommen zu gemeinsamen Empfehlungen an die Rundfunkkommission der Länder und die neun Landesrundfunkanstalten sowie ZDF und Deutsche Welle.

Aus den zahlreichen deliberativen Verfahren weltwelt wissen wir, dass ein solches Gremium zu einer differenzierten gesellschaftlichen Debatte beiträgt und konsensfähige Ergebnisse produziert. Es kann helfen, die komplexen Herausforderungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu lösen. 

Post-Schlesinger geht es nicht mehr nur um einzelne Reformbaustellen. Und auch nicht mehr nur um eine inkrementelle Fortschreibung des Bestehenden. Das betrifft auch die Verfahren – und das kann auch eine Chance sein. Die Öffentlich-Rechtlichen, sie sind „unsere Medien”, sie dienen uns als Bürgerinnen und Bürgern - nicht als Konsumenten. Um ihre Zukunftsfähigkeit substanziell zu sichern und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen, braucht es mehr Beteiligung als in den vergangenen Jahren praktiziert wurde. Das stärkt die Öffentlich-Rechtlichen, und es stärkt unsere Gesellschaft. 

Leonard Novy ist Direktor des Instituts für Medien- und Kommunikationspolitik.  

Henning Banthien ist Sprecher der Geschäftsführung bei ifok, einem auf Veränderungsprozesse und Beteiligung spezialisierten Beratungsunternehmen

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