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Medien: Rechts rein

Ein Redakteur der umstrittenen „Jungen Freiheit“ will in die Bundespressekonferenz

Stand:

Berlin, Schiffbauerdamm 40. Dreimal pro Woche lädt die Bundespressekonferenz e. V. (BPK) ihre Mitglieder ein, der Bundesregierung ihre Fragen zu stellen. 1949 in Bonn gegründet und nun in Berlin beheimatet, wird der Verein von Politikern wie Journalisten geachtet. Das Schrille, das „draußen“ oft deren Verhältnis prägt, ist hier verpönt.

Berlin, Hohenzollerndamm 27a. Einmal pro Woche produziert die „Junge Freiheit“ („JF“) hier jene Antworten, die nach Ansicht ihrer Redaktion in den anderen Medien verschwiegen werden. 1986 in Freiburg gegründet, nun in Berlin produziert, zählt das konservative Blatt zu den umstrittensten Medien des Landes. „PC“, politische Korrektheit oder was die „JF“ dafür hält, ist im Blatt tabu.

Die Bundespressekonferenz und die „Junge Freiheit“: Geht das zusammen? Heute will der Mitgliedsausschuss entscheiden.

Der Reihe nach. Anfang März empfahl der fünfköpfige Mitgliedsausschuss der BPK den rund 900 Vereinsmitgliedern, den Aufnahmeantrag des „JF“-Redakteurs Marcus Schmidt vom 16. Februar anzunehmen. Auf keinen Fall, erwiderten Dieter Wonka („Leipziger Volkszeitung“), Gunther Hartwig („Südwest Presse“) und Reinhard Urschel („Hannoversche Allgemeine Zeitung“) und legten umgehend Einspruch ein. „Ich lese die ,JF’ gelegentlich“, sagte Wonka dem Tagesspiegel. Sein Eindruck sei, dass diese „ideologisch hart am deutschnationalen Rand segelt“. Wonkas Mitunterzeichner Hartwig spricht von einem „sehr deutlichen Unbehagen“.

Nach dem Einspruch kam das Thema bei der Jahreshauptversammlung der BPK am 5. März auf den Tisch. Teilnehmer berichteten von einer heftigen Diskussion. „Wonka ist keineswegs in der Minderheit“, sagte ein Mitglied. Viele hätten wegen der „JF“ „Bauchschmerzen“. Dass dennoch eine große Mehrheit dafür sei, deren Redakteur zu akzeptieren, liege an der Satzung des Vereins. Diese enthält nur formelle Kriterien: Mitglied werden kann, wer hauptberuflich und regelmäßig über Bundespolitik berichtet; wie berichtet wird, spielt – in den Grenzen des Grundgesetzes – keine Rolle.

Im Fall Schmidt heißt das, dass der Mitgliedsausschuss bei seiner Sitzung heute Vormittag mit großer Wahrscheinlichkeit das Mehrheitsvotum der Mitglieder berücksichtigen und Schmidt aufnehmen wird. Der Ausschuss ist an kein Votum gebunden, aber er hat schließlich schon einmal dessen Aufnahme empfohlen. Sollte er es sich doch anders überlegt haben, bliebe Schmidt der Einspruch beim Vereinsvorstand, wozu sich dessen Vorsitzender Werner Gößling vom ZDF aktuell nicht äußern will. Die letzte Möglichkeit wäre der Gang vor Gericht.

Dieter Stein, der die „Junge Freiheit“ Mitte der 80er Jahre als Schülerzeitung gründete und noch heute ihr Chefredakteur ist, bezeichnet sein Blatt als „liberal-konservativ“. Die „JF“ tauchte jahrelang in den Berichten des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes auf – wegen „Anhaltspunkten für den Verdacht rechtsextremistischer Bestrebungen“. Im Mai 2005 verurteilte das Bundesverfassungsgericht dies als unzulässige Einschränkung des Grundrechts der Zeitung auf Pressefreiheit. Ein bloßer Verdacht, so die Richter, sei unzureichend.

„JF“-Kritiker Dieter Wonka sagte, dass er die Mehrheitsmeinung der BPK „bedauert, aber respektiert“. Er werde sich weiter für inhaltliche Aufnahmekriterien einsetzen: „ Wir sind ein privater Verein, wir sollten selbst bestimmen, wer zu uns passt, und wer nicht. Andernfalls wünsche ich viel Spaß, wenn demnächst die NPD-Zeitung und Scientology bei uns anklopfen.“ Eines hat Wonka bereits erreicht. Nach der hitzigen „JF“-Diskussion will der Verein nun eine Kommission einsetzen, die sich noch einmal in Ruhe mit den Aufnahmeregeln befassen soll.

Und der, über den alle diskutieren? „Wenn ich mir die Satzung anschaue, gehe ich davon aus, dass das klappt“, sagte „JF“-Redakteur Marcus Schmidt dem Tagesspiegel. Was er im Falle einer Absage machen würde, wisse er noch nicht. Schmidt, 33, ist seit 2004 Redakteur der „Jungen Freiheit“, wo er das politische Ressort leitet. Zuvor hat er ein Volontariat bei der Chemnitzer „Freien Presse“ absolviert. Für die „JF“ schreibt er über „Leitkultur“ („was fehlt, sind provokante Thesen“), die Schändung deutscher Kriegsdenkmäler oder das Parteienspektrum rechts der Union. Dass es Journalisten gibt, die finden, dass er in der BPK nichts zu suchen hat, will Schmidt nicht kommentieren: „Was soll ich dazu sagen? Mit mir hat niemand gesprochen.“

Marc Felix Serrao

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