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Grüne Fonds: Skifahren in der Wüste
Basiert die grüne Finanzwelt auf Lug, Trug und Augenwischerei? Eine Arte-Dokumentation entlarvt die Absurdität grüner Geldanlagen.
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Nachhaltige Geldanlagen zählen zu den größten Wachstumsmärkten für Vermögensverwalter. Nach dem Lebensmittelsektor und der Textilbranche, die auf Bio und Fair Trade setzen, will nun auch die Finanzwelt grüner werden. In ihrer Reportage nehmen Romain Girard und Matteo Born Firmen unter die Lupe, die als vorbildlich gelten. Das Ergebnis ist ernüchternd.
Erklärt wird zunächst, was eine grüne Anleihe ist. Es geht um einen Kredit, der ausschließlich zu Finanzierung umweltfreundlicher Projekte verwendet werden darf. Als besonders grün gilt das Unternehmen Majid Al Futtaim. Mit dem Versprechen, seinen CO2-Fußabdruck zu reduzieren, konnte die Firma sich über eine Milliarde Dollar verschaffen. Vor der Kamera erklärt der Manager, man möchte als ein Unternehmen wahrgenommen werden, „das das Null-Emissionsziel erreicht“.
Klingt ambitioniert. Zweifel kommen auf, wenn man sieht, wie Hollywoodstar Will Smith mit viel Pomp das Produkt dieses Unternehmens bewirbt: eine Indoor Skipiste – mitten in der Wüste von Dubai. Es geht also um Skifahren im Morgenland. Um das Erlebnis für die Kinder zu steigern, wurden sogar Pinguine aus der Antarktis eingeflogen.
Ökologisch sinnloser geht es nicht. „Majid Al Futtaim wurde durch eines der absurdesten Stromverschwendungsprojekte weltweit berühmt“. Dennoch taucht das Unternehmen im Klimaschutzfonds einer der größten Schweizer Privatbanken auf. („Grüne Fonds, die große Illusion?“, Dienstag, Arte, 22 Uhr)
Die Kriterien jener Rating Agenturen, die Unternehmen Nachhaltigkeit bescheinigen, so setzt der Film auseinander, sind undurchsichtig. „Das System gleicht einem Taschenspielertrick, mit dem die größten Umweltverschmutzer plötzlich mit weißer Weste dastehen“.
Eine Ahnung vom Ausmaß der Tricks vermittelt Desiree Fixler. Die US-Bankerin wurde angestellt als Nachhaltigkeitschefin der zur Deutschen Bank gehörenden Fondsgesellschaft DWS. In einer internen Kommunikation wies Fixler Vorgesetzte auf Defizite hin.
Berg aus Blei und Feinstaub
So behauptete DWS im Geschäftsbericht 2020, mehr als die Hälfte des Anlagevolumens flösse in nachhaltige Unternehmen. Dies sei pures Greenwashing, so Fixler. Vor der Kamera erklärt die Bankerin, sie sei deshalb entlassen worden. Informationen, die sie als Whistleblowerin publizierte, führten am Finanzmarkt zu Turbulenzen.
Umicore, ein Unternehmen aus Belgien, das sich auf Recycling von Industriemetallen spezialisiert hat, ist bei umweltbewussten Anlegern besonders beliebt. Das ist schwer zu glauben. In der Nähe des Firmensitzes im belgischen Olen hat die frühere Minengesellschaft ein Berg aus radioaktivem Feinstaub aufgetürmt.
Als wäre das nicht absurd genug, stoßen die Filmemacher bei Recherchen in einem „ansonsten idyllischen Wald“ in den französischen Cevennen auf eine gigantische Müllhalde, die nach Umicore benannt ist. Während dieser giftige Berg aus Blei und Feinstaub den Wald verseucht und bei einigen Anwohnern in der Nähe offenbar Krebs auslöste, verdoppelte sich der Börsenwert von Umicore. Basiert die grüne Finanzwelt auf Lug, Trug und Augenwischerei?
Diese Frage lässt der Film offen. Vorgestellt werden Menschen wie der umweltbewusste Rentner Daniel Pfenniger, der ein Elektroauto fährt, und die Angestellte Sarah Perrin, die an Blockadeaktionen der Klimabewegung Extinction Rebellion teilnimmt. Pfenniger und Perrin möchten das Klima verbessern. Wenn es geht, auch mit grünen Geldanlagen. Menschen wie sie werden geködert von Bertrand Piccard, einem Schweizer Abenteurer, der mit Solarflugzeug um die Welt flog.
Nun wirbt der Ökopionier für einen nachhaltigen Fonds der Zürcher Bank Globalance. Im Portfolio dieser ökologischen Geldanlage befinden sich Aktien von Umicore. Vor der Kamera rechtfertigt sich Bertrand Piccard. Seine Argumentation klingt abenteuerlich.
Manfred Riepe
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