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Medien: Tod in Berlin

ARD-Film über den ungesühnten Fememord an Ulrich Schmücker

Ein junger Mann wird im Berliner Grunewald mit einem Kopfschuss hingerichtet, Tatverdächtige werden gefasst, und dennoch muss die Justiz nach 17 Jahren einen Offenbarungseid leisten. Ein rechtsstaatliches Verfahren sei nicht mehr möglich, lautete das abschließende Urteil des Landgerichts Berlin 1991. Der Fememord an dem 22jährigen Ulrich Schmücker im Jahr 1974, zu dem sich die linksterroristische „Bewegung 2. Juni“ bekannt hatte, war nach beispiellosen Ermittlungsfehlern nicht mehr aufzuklären. Die zwischenzeitlich Verurteilten erhielten Haftentschädigung. Die ARD erinnert in ihrer Doku-Reihe „Die großen Kriminalfälle“ an den „Schmücker-Mord“, der sich in den langen Prozessjahren zu einem der größten Geheimdienstskandale Deutschlands entwickelt hatte. Denn der Berliner Verfassungsschutz torpedierte die Aufklärung nach Kräften, um die eigenen verdeckten Operationen zu verschleiern. Welche Rolle seine Agenten bei der Ermordung Schmückers spielten, der selbst 1972 in Untersuchungshaft angeworben worden war, ist nach wie vor nicht vollständig aufgeklärt. Auch die Autoren Ute Bönnen und Gerald Endres können der Skandalchronik nichts Erhellendes hinzufügen; denn die Schlüsselfiguren sind tot oder geben keine Auskunft. Kronzeuge Jürgen Bodeux sei verschwunden, und V-Mann Volker Weingraber mauere wie der gesamte Verfassungsschutz..

Doch die Reihe will nicht nur einen realen Kriminalfall spannend nacherzählen, sondern auch ein Abbild seiner Zeit liefern. Hier geht es um die frühen Siebzigerjahre, also um die wachsende Militanz in der linken Szene und den übereifrigen Abwehrkampf staatlicher Instanzen. Bönnen und Endres konzentrieren sich dabei auf die Persönlichkeit des Opfers. Ulrich Schmücker, ein empfindsamer Typ, der Theologe werden wollte, zieht nach einem Jahr Aufenthalt in den USA 1971 nach Berlin. In Videoaufnahmen sieht man ihn als Gitarristen einer Band seiner Heimatstadt Bad Neuenahr. Auch durch die Antworten ehemaliger Weggefährten wird der Mensch hinter dem linken Zerrbild vom „Verräter“ klarer erkennbar. „Ein bisschen labil“ sei der Schmücker gewesen, erinnert sich einer. Das war in dieser Zeit und mit diesen Freunden offenbar lebensgefährlich. tgr

„Die großen Kriminalfälle“: ARD, 21 Uhr 45

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