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Rettungsschwimmer: Günther Jauch (l.) und Thomas Gottschalk mussten am Montagabend mit "Die 2" bei RTL gegen sinkendes Zuschauerinteresse kämpfen.

© dpa

Vom Altardienst zum TV-Entertainer: Messdiener = Moderator?

Ex-ZDF-Intendant Markus Schächter sieht bei zahlreichen Showstars eine Linie vom Altardienst zum Publikumserfolg. Eine Buchrezension.

Die Empirie macht Markus Schächter Mut. Von den 25, 30 prägenden Entertainern im deutschen Fernsehen waren gut 15 Messdiener. Die Liste ist beeindruckend, es stehen Namen wie Alfred Biolek, Frank Elstner, Thomas Gottschalk, Günther Jauch, Hape Kerkeling, Jürgen von der Lippe, Matthias Opdenhövel und Markus Lanz darauf. Schächter, der ehemalige ZDF-Intendant, macht aus dieser Beobachtung eine These in Frageform: „Gibt es eine besondere, bisher unbeachtete Verbindungslinie zwischen Showbiz und Messdienst?“ Niedergeschrieben hat Schächter den vermuteten Zusammenhang im Vorwort seines gerade erschienenen Buches „Die Messdiener. Von den Altarstufen zur Showbühne“.

Markus Schächter hat 14 Promis befragt

14 Promis hat der Autor befragt. Die Draufblicke auf die Messdienerei sind in der Regel positiv, lediglich Willi Weitzel hat böse Erfahrungen mit einem sexuell übergriffigen Geistlichen gemacht. Anne Will, aus katholischem Haus im Rheinland stammend, hat sich maßlos darüber geärgert, dass Mädchen damals vom Altardienst ausgeschlossen waren. Wurde sie halt Sternsingerin. Nur Männer im Messdieneramt und deswegen das Showbiz eine nur langsam bröckelnde Männerdomäne? So weit geht Schächter nicht. Er betoniert seine Gleichung „Messdiener = Moderator“ nicht, zumal er feststellen muss, dass die Entertainer seiner Eingangsthese nur vereinzelt zustimmen.

Alfred Biolek sagt zum Schächter’schen Theorem: „Ich weiß, dass es so ist, aber eine Erklärung habe ich nicht dafür.“ Für eine „göttliche Fügung“ mag Günther Jauch das Phänomen nicht halten. Andere nennen es „eher Zufall“. So gibt Jürgen von der Lippe die Leitlinie vor: „Jungs meiner Generation und auch der danach, die in katholischen Hochburgen aufwuchsen und nicht völlig ungeeignet waren, waren einfach für eine gewisse Zeit Messdiener.“ Schächter weitet seine Eingangsthese überzeugend in einem anderen Begründungszusammenhang. Er betrachtet das Ministrieren als Training fürs Entertainer-Leben. „Zusätzlich zum eigenen Talent hat eine kirchliche Kindheit und eine aktive Zeit als Messdiener eine zusätzliche Plattform für ein starkes Selbstbewusstsein geschaffen“, folgert Schächter, der nach seiner ZDF-Karriere an der Hochschule für Philosophie in München Medienethik lehrt.

In seinen Funktionen als Medienmanager hat er Moderatoren aus großer Nähe kennengelernt. Der Leser spürt, dass sie ihm vertrauen. Die 240 Seiten bieten selbst für Kundige ungewöhnliche Einblicke in manche Biografie, „jenseits der heimlichen Verbindungslinie zwischen Altarstufen und der Showbühne“ finden sich unterschiedliche, persönliche Deutungen. Wenn man das Buch so lesen will, ist das der rote Faden – die soziale Herkunft, wie sie Kerkeling beschreibt: „Wir stammen aus kleinen Verhältnissen. Aber klein nur im Sinne von Geld. Im Sinne von Geist, Güte und Arbeitsbereitschaft waren wir nicht klein.“ Motiviert, diszipliniert, auftritts-, aufstiegsorientiert, bereit wie Reinhold Beckmann, um 6 Uhr 15 zum Frühgottesdienst anzutreten. So besehen: Zahlreiche erfolgreiche Entertainer waren auch erfolgreiche Messdiener. Der Weg zum Ruhm war durchgängig anders kartiert. Joachim Huber

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