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Wechselspiele: Abgang der Alphatiere

Für viele Journalisten ist es eigentlich die Krönung ihrer Karriere, wenn der „Spiegel“ sie unter sein Dach holt. Doch neuerdings scheint das Hamburger Nachrichtenmagazin Probleme zu haben, seine Alphatiere zu halten.

Innerhalb kurzer Zeit haben sich drei renommierte Journalisten vom „Spiegel“ beziehungsweise seinem Internet-Ableger verabschiedet:

Anfang 2010 zog es den bisherigen Spiegel-Online-Chefredakteur Wolfgang Büchner an die Spitze der Nachrichtenagentur dpa. Vor zwei Wochen wurde der Wechsel von Gabor Steingart, zuletzt Leiter des „Spiegel“-Büros in Washington, an die Spitze der Wirtschaftszeitung „Handelsblatt“, bekannt – nun folgt der Abgang von Claus-Christian Malzahn, früher Politikchef von Spiegel Online und seit Herbst Leiter des Münchner „Spiegel“-Büros. Er soll ab April offenbar bei der „Welt“-Gruppe des Axel-Springer-Verlags stellvertretender Politik-Chef werden.

Innerhalb kurzer Zeit ist damit beim „Spiegel“ ein erheblicher Verlust an Kompetenz und Prominenz zu verzeichnen. Seit 17 Jahren ist Malzahn beim „Spiegel“, Steingart sogar seit 20 Jahren. Beide sind nicht nur als Journalisten, sondern auch als Buchautoren erfolgreich, bei Spiegel Online waren sie für meinungsstarke Kommentare bekannt. Fraglich, warum es den „Spiegel“-Chefredakteuren Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron scheinbar nicht gelingt, Mitarbeiter dieser Preisklasse zu halten.

„Ich habe ein Angebot bekommen, was ich nicht ablehnen konnte“, sagt Malzahn. Zwar betont er, ohne Groll zu gehen – doch glücklich dürfte er nicht gewesen sein, nach seinen Jobs unter anderem als Kriegsreporter und als Online-Politikchef, nach München versetzt zu werden. Steingart war immer wieder als „Spiegel“-Chefredakteur gehandelt worden, doch bei der Nachfolgersuche für Stefan Aust im Februar 2008 setzten sich Mascolo und Blumencron durch, Steingart suchte nun eine neue Perspektive.

Der Erfolg der „Spiegel“-Chefredakteure Mascolo und Blumencron wird zwar nicht nach Zahl des Personals gemessen, sondern nach Gewinn und Auflage – und hier sehen die Zahlen nicht schlecht aus, Krisenzeiten gelten als „Spiegel“-Zeiten. Die verkaufte Auflage lag im vierten Quartal 2009 bei über 1 016 000 Exemplaren, was im Vergleich zum Vorjahresquartal nur einem Rückgang von knapp drei Prozent entspricht. Auch im Netz wirbt das Magazin weiter um Leser. Ab Samstag ist der „Spiegel“ als App zu bekommen, in einer Einführungsphase von sechs Wochen für 2,99 Euro pro Heft, danach 3,99 Euro.

Doch langfristig kann ein Medium nur erfolgreich sein, wenn gute Autoren dahinterstehen. „Wir finden es immer bedauerlich, wenn verdiente Kollegen gehen. Beim Spiegel arbeiten viele erstklassige Journalisten – wir müssen damit leben, dass bisweilen einer abgeworben wird“, sagte „Spiegel“-Sprecher Hans-Ulrich Stoldt. Wer Steingart in Washington und Malzahn in München nachfolgt, stehe bisher nicht fest. Welche Alphatiere anbeißen, wird sich zeigen. Sonja Pohlmann

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