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Andrea Kiewel und Johannes B. Kerner.

© ZDF und Marcus Höhn

Feiern in der Pandemie: Wie absurd ist die Silvestershow des ZDF?

Es sollte mehr Hoffnung verbreitet werden als mit einer ZDF-Show ohne Publikum zum Jahreswechsel, live vom Brandenburger Tor.

Stand:

Wir sollen nicht zusammen feiern und böllern dürfen wir auch nicht. Das einzige, was wir an Silvester 2020 straffrei machen dürfen: das ZDF einschalten. Das Zweite Deutsche Fernsehen bietet 2020 zum achten Mal in Folge das beim Publikum erfolgreichste Programm im deutschen Fernsehen. Und den selbsternannten Knaller am Jahreswechsel.

Gefeiert wird wie stets am Brandenburger Tor. Pünktlich um 21 Uhr 45 melden sich Andrea Kiewel, die Sommergarten-Fee, und Quizonkel Johannes B. Kerner aus ihrer Lounge, wo sie warm und sicher sitzen werden. Auf der Bühne toben Showgrößen wie Karat, Giovanni Zarrella, die Höhner, Tom Gaebel sowie Jürgen Drews und seine Tochter. Ihnen wird eine große Bühne geboten, seit Tagen wird aufgebaut, die Straße des 17. Juni ist pflichtgemäß gesperrt.

Ist das wahnsinnig toll oder schlicht wahnsinnig, was das ZDF da treibt? Vor der Bühne wird keinerlei Publikum sein, in einer Mitteilung betont der Sender, „die Silvestershow werde unter Sicherheitsvorkehrungen produziert, die den aktuellen Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes zum Umgang mit dem Corona-Virus entsprechen“.

Das Fernsehen ist trotzdem in der Lage, Stimmung zu simulieren. Seitdem bei den Bundesliga-Übertragungen die Richtmikrofone jedes noch so kleine Hüsteln im leeren Stadionrund einfangen können, tönt es aus dem Fernseher lauter als bei jedem Torschrei der 70 000. Auf leere Fan-Ränge, auf leere Publikumsplätze nimmt das Fernsehen keine Rücksicht. Es wird in voller Fahrt gefeiert, die Moderatorinnen und Moderatoren sind bester Laune, garantiert werden Kiewel und Kerner die Bildschirme zum Platzen bringen. Lange vor Corona hatte Tony Marshall das aktuelle Motto ausgegeben: „Wir lassen uns das Singen nicht verbieten.

Mit dem Zweiten ignoriert sich’s besser

Das Singen nicht und auch die Fröhlichkeit.“ Mit dem Zweiten ignoriert sich’s besser.

Silvester ist keine Fiktion, die ZDF-Festivität ist es schon. Profi-Gaukler lassen es krachen, Kiwi und Kerner lächeln sich durch mehrere Stunden, es wird ein Halli und Hallo sein, dass es nur so eine Freude ist. Die Pflicht zur Selbsteuphorisierung ist in die Gage inkludiert.

Das Corona-Fernsehen zeigt sich von der Pandemie unbeeindruckt. Gott sei Dank, werden nicht wenige sagen. Anderes Fernsehen, anders fernsehen, soweit darf es nicht kommen, sagt das ZDF. Also „Willkommen 2021 – Silvester live vom Brandenburger Tor.“

Für mich ist das absurd. Die Stimmung kann nur künstlich sein, unten verjubelt Jürgen Drews sein Gewissen in Mikrofon und Kamera, oben pusht sich das Moderatorenduo in pures Ego-Shooting. Live-Schalten in die Haushalte der Prominenz aus Show, Sport und Musik bringen die Pferde auf der Quadriga zum Wiehern.

Virtuell ist das neue Real? Lassen wir die Fiktion auf immer mehr Ebenen triumphieren, triumphiert am Ende das Pseudo. 2021 muss mehr Hoffnung verbreiten als eine gefakte Silvestershow im Zweiten Deutschen Fernsehen.  

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