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Medien: „Wir sind grausam zu allen“

„Monitor“-Chefin Sonia Mikich über Skandale und doppelbödige Komplimente

Auf den WDRInternetseiten wird Ihre Redaktion unter der Überschrift „Monitor macht Schlagzeilen“ vorgestellt. Haben Sie im vergangenen Jahr eine ausreichende Zahl von Schlagzeilen produziert?

Nicht ausreichend, aber doch regelmäßig. Bei der letzten Schlagzeile, die sich auf uns bezog, ging es um Acrylamid.

Sind Schlagzeilen ein Maßstab für den Erfolg von „Monitor“?

Erfolg ist daran abzulesen, ob wir ernst zu nehmende Briefe von Zuschauern und Reaktionen von Politikern bekommen, ob wir irgendeine Sauerei verhindert haben. Schlagzeilen sind schön, um sie unter den Kollegen vorzuzeigen, aber sie sind nicht mein einziges Ziel.

Waren Sie nach diesen Maßstäben in Ihrem ersten „Monitor“- Jahr erfolgreich?

Ja, die Menschen sind weit davon entfernt, nur Unterhaltung haben zu wollen. Alle Politikmagazine haben bei den Quoten messbar zugelegt. Aber im Grunde mag ich diese Quotendebatte nicht, sie ist ein Hinrichtungsargument geworden.

Immerhin sind politische Magazine ab 20 Uhr 15 zu sehen, obwohl Serien sicher bessere Quoten bringen würden.

Noch ist die ARD mutig. Aber manche Planer ziehen 21 Uhr 45 vor, wo wir mit dem „heute-journal“ konkurrieren würden. Es kann ja sein, dass wir da einen guten Marktanteil hätten, aber ich will doch keine zwei Millionen Zuschauer, wenn ich um 20 Uhr 15 vier Millionen erreichen kann. Wer nur auf Marktanteile schaut, verkennt, dass wir kein kommerzieller Sender sind.

Aber haben die Magazine nicht längst an Wirkung verloren, weil es zu einem Ritual geworden ist: Heute kommt wieder „Monitor“, da wird garantiert der nächste Skandal aufgedeckt?

Was ist die Alternative? Politik light? Sicher, niemand lobt einen dafür, dass man jetzt die letzte Schweinerei im Kölner Müll-Skandal auch noch rausgekriegt hat. Aber es ist wichtig, den Leuten Mittel an die Hand zu geben, sich mündig zu entscheiden.

Was hat Sie in Ihrem ersten Jahr am meisten überrascht?

Vieles, was ich ausprobieren wollte, wie Porträts und Reportagen, wurde weder von den Machern noch von den Zuschauern besonders honoriert. Die Filme, die am besten ankamen, waren die klassischen Beiträge: gut recherchierte Sachverhalte mit Dokumenten, Experten und Gegenmeinung.

Ihr Vorgänger Klaus Bednarz lobt Sie: „Die Redaktion weicht nicht einen Jota von der traditionellen Linie ab.“ Ist das für Sie ein Kompliment?

Ich finde, das ist doppelbödig. Das hieße nämlich, egal, wer Frontfigur ist, hier gibt es eine Truppe von Betonköpfen. Das stimmt natürlich nicht. Aber wir sollten vielleicht noch etwas mutiger sein.

Meinen Sie damit eine inhaltliche Öffnung des „linken“ Magazins „Monitor“?

Dieses Klischee stimmt ja nicht. Es wundert mich, dass Leute immer noch in diesem Rechts-Links-Schema denken. Kein anderes Magazin hat so heftig auf Rot-Grün eingedroschen wie wir. Ich wäre stolz, wenn man mich auf der Seite der Radikaldemokraten einordnen und sagen würde: Donnerwetter, die sind grausam zu allen.

Die Medienwirtschaft steckt in einer Krise. Auch der Journalismus?

Ich sehe keine Krise, außer dass die Arbeitslosigkeit auch uns erreicht hat. Journalist zu sein – das ist für mich immer noch der Anspruch, Augenzeuge, Detektiv und Humanist zu sein. Ich finde es völlig in Ordnung, dass Politiker uns mit der gleichen Skepsis gegenüberstehen wie wir den Politikern. Dass sie sich belauert fühlen, ist gut. Ich will sie belauern. Journalisten haben eine Kontrollfunktion.

Es wurde oft darüber geklagt, dass Politiker den Magazin- Journalisten gar keine Interviews mehr geben.

In Talkshows können sie Widersprüche besser abfangen. Im Großen und Ganzen machen sie dort eine gute Figur. Bei uns ist die Gefahr groß, dass sie keine gute Figur machen, weil sie einen Widerspruch nicht auflösen können, weil sie notgedrungen verkürzt wiedergegeben werden. Wir kümmern uns ja immer nur um einen Ausschnitt aus ihrer Arbeit, um eine eng definierte Sachlage. Der Minister oder die Ministerin sollte schon den Zuschauern etwas dazu sagen können. Sie büchsen aber aus und machen uns dann den Vorwurf, wir seien einseitig.

Wobei Stellungnahmen von Politikern bei „Monitor“ oft nur deshalb da sind, damit die Autoren ihnen mit dem nächsten Satz widersprechen können.

Ja, das ist manchmal misslich und übertrieben. Fairness und ein gewisses Maß an Sachlichkeit müssen schon sein. Und das heißt ja nicht, eine Haltung aufzugeben.

Das Gespräch führte Thomas Gehringer.

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