zum Hauptinhalt
Mehr ZDF geht kaum.  Peter Frey begann 1981 als freier Mitarbeiter im „heute-journal“ und scheidet Ende September als ZDF-Chefredakteur aus. 

© dpa / Foto: Sebastian Gollnow

ZDF-Chefredakteur Peter Frey geht: Strenger als er sich für streng hält

48 Interviews mit Merkel, kein Interview mit dem Papst: Peter Frey hört als ZDF-Chefredakteur auf

Von

Im heimischen Arbeitszimmer in Mainz wird der Brief seinen Platz finden. All die Jahre war er samt Umschlag und Briefmarke an einer Wand im Büro von ZDF-Chefredakteur Peter Frey eingerahmt. Der 65 Jahre alte Journalist wirkt stolz und ergriffen, als er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur vom Absender erzählt. Frey liest den Brief vor. Er stammt von der Schriftstellerin Anna Seghers aus dem Jahre 1980.

Darin lobt sie einen Hörfunkbeitrag des 22-jährigen Studenten. Als Mitarbeiter für den SWR hatte Frey die bis dahin kaum bekannte Geschichte des Nazi-Konzentrationslagers Osthofen bei Worms rekonstruiert – Schauplatz von Seghers Roman „Das siebte Kreuz“. Das war am Anfang seiner Karriere und im Gespräch bekommt man das Gefühl: Es war mit ausschlaggebend, dass er diesen Berufsweg einschlug.

Besuch in Ost-Berlin bei Anna Seghers

Obwohl das im Kalten Krieg verpönt war, besuchte Frey die Schriftstellerin in Ost-Berlin. „Ich wollte ja was von ihr hören, aber sie hat praktisch nichts gesagt. Sie hat mich nur nach Mainz gefragt. Sie wollte mit jemandem sprechen, der über ihre Heimatstadt berichtet.“ Er sagt rückblickend: „Das war eine echte, starke Motivation, in diesen Beruf reinzugehen.“

Peter Frey ist einer der bekanntesten TV-Journalisten geworden, Ende September geht er in Rente. Der gebürtige Bingener interviewt in höflichem, klarem Ton Politiker, er fordert heraus, ohne eine Konfrontation anzustreben. Er präsentiert Sommerinterviews und kommentiert im „heute-journal“. Bei Großereignissen geht er vor die Kamera, zuletzt stundenlang zum Queen-Begräbnis. Bekannt geworden ist der Journalist auch durch die ZDF-Interviewreihe „Was nun?“ im Duo mit Bettina Schausten.

Frey, der mit seiner Ehefrau eine Tochter hat, hätte sich auch vorstellen können, Zeitungsjournalist zu werden. Letztlich habe er pragmatisch gehandelt: „Ich bin dort geblieben, wo man mir eine Perspektive geboten hat. 1982 habe ich eine Hospitanz beim ZDF gemacht, und im Anschluss an einen Auslandsaufenthalt hat sich dann das ZDF bei mir gemeldet. So bin ich beim Fernsehen gelandet.“ Frey studierte Politikwissenschaft, Pädagogik und Romanistik, schließlich Promotion zum Dr. phil.. Er ist Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken und im Beirat von Misereor.

Noch Stellvertreterin, ab Oktober Chefredakteurin: Bettina Schausten. 
Noch Stellvertreterin, ab Oktober Chefredakteurin: Bettina Schausten. 

© ZDF und Markus Hintzen / Foto: Markus Hintzen

Die Liste seiner Stationen bei dem öffentlich-rechtlichen Sender in Mainz ist lang: Unter anderem war er Vize-Leiter des Studios Washington. Er entwickelte das Europamagazin „heute – in Europa“ ebenso wie das „ZDF-Morgenmagazin“. Er war Leiter des Hauptstadtstudios. Gab es eine Sendung, die er gerne ins Programm gebracht hätte, es aber nicht schaffte? „Ein europäisches Journal, zu einer prägnanten Sendezeit.“

Sein Start als Chefredakteur 2010 war von einem Skandal überschattet, der dem Sender und der Rundfunkpolitik noch lange in den Knochen steckte: Eine CDU-nahe Mehrheit im ZDF-Kontrollgremium Verwaltungsrat hatte den Vertrag von Chefredakteur Nikolaus Brender nicht verlängert. Der Fall führte dazu, dass das Bundesverfassungsgericht die politische Präsenz im Gremium einhegte.

Frey wurde Brenders Nachfolger und startete nicht unbelastet. Beispiel aus dem Medienecho: Der Ex-Geschäftsführer des Adolf-Grimme-Instituts und Medienwissenschaftler Bernd Gäbler schrieb damals im „Stern“: „Lieber Herr Frey, jetzt sind Sie also der von Roland Koch tolerierte Sozialdemokrat. Das ist Ihre Rolle im ZDF-Farbenspiel. Tun Sie erstens sofort alles, um diesen Eindruck zu zerstören.“

48 Mal interviewte Frey Angela Merkel. Geklappt hat es nie mit einem Gespräch mit Papst Johannes Paul II., was er sich gewünscht hätte. „Merkel hat mir auch wegen des Dauerlaufs, den sie absolviert hat, imponiert.“ Frey sagt über TV-Interviews: „Man darf nicht unterschätzen, was für eine Anstrengung das für die Politik bedeutet, sich einer solchen Situation im Fernsehen auszusetzen.“

Ein Bild ist ihm im Gedächtnis geblieben: 2002, sein erstes Sommerinterview mit Bundeskanzler Schröder im Garten des Bundeskanzleramts. Weil das TV-Team schon früher mit dem Aufbau fertig war, wollte er Bescheid geben. „Dann bin ich in meiner Naivität und Unerfahrenheit im Kanzleramt in den siebten Stock gefahren. Die Tür war offen, das Sekretariat war leer. Und dann stand Gerhard Schröder an diesem bodentiefen Fenster mit den Händen in den Hosentaschen und guckte nach draußen. Es war so, als würde ich in die Privatsphäre von jemandem eindringen. Das würde ich nie mehr machen. Es war ein Anfängerfehler.“

Frey sagt, das Ganze habe ihm gezeigt, welche Konzentration es braucht, um solch ein Interview zu führen. „Gerhard Schröder stand da und hat Kraft gesammelt. Er stand da wie ein Boxer vor dem Kampf.“

Sein Job als Chefredakteur war es auch, Reformen anzuschieben. Über seinen eigenen Führungsstil sagt er: „Ich bin strenger als ich mich für streng halte.“ Was ihm besonders viel Kraft abverlangt habe? „Die Einstellung des Frauenmagazins ,Mona Lisa’ war ein echter Kraftakt, weil das ein Titel war, mit dem sehr viele viel verbunden haben.“ Ob er etwas bereue? „Es gibt schon Personalentscheidungen – da ist man im Nachhinein schlauer.“ Und: „Wahrscheinlich hätte ich, was das Umsteuern der Kräfte vom Fernsehen in den Onlinebereich angeht, noch energischer sein müssen.“ Dies sei die größte Baustelle, die er hinterlasse. um diese wird sich dann Bettina Schausten kümmern müssen, Freys Stellvertreterin übernimmt die ZDF-Chefredaktion am kommenden Samstag.

Geboren 1965 in Lüdinghausen, arbeitet Schausten seit 1996 für das ZDF, und wie es sich für eine ordentliche Karriere auf dem Mainzer Lerchenberg gehört, hatte sie Positionen inne, die schon ihr Noch-Vorgesetzter bekleidet hat: persönliche Referentin von Chefredakteur Klaus Bresser, Redaktionsleitung der Sendereihe „Was nun?“, Leiterin und Moderatorin des „ZDF Morgenmagazins“, Leiterin des Hauptstadtstudios. Im ZDF<TH>wird ZDF-dynastisch gehandelt und besetzt.

Was auf Bettina Schausten ab 1. Oktober zukommt, ist klar, was aber macht Peter Frey? Er könne sich vorstellen, als Dozent an einer osteuropäischen Uni zu arbeiten. (mit dpa)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false