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Medien: Zivilisten als „Müll“

Bis heute vertuscht: das US-Massaker von No Gun Ri

Stand:

In der Nähe des Dorfes No Gun Ri in Südkorea rast die Eisenbahn vorbei, darunter führt ein Weg durch einen kurzen Tunnel. Im Juli 1950 suchten hier Hunderte von Flüchtlingen Schutz, wurden jedoch drei Tage und Nächte lang von der US-Armee beschossen. Nur wenige überlebten das Massaker, das – im Gegensatz zu dem Morden 18 Jahre später im vietnamesischen My Lai – in den USA offiziell immer noch als tragisches Versehen und nicht als Kriegsverbrechen betrachtet wird. Im Nationalarchiv von Washington sind jedoch Dokumente gefunden worden, die belegen, dass der Schießbefehl auf Zivilisten während des Koreakriegs auch der US-Regierung bekannt war.

Marc Wiese klärt in der ARD-Dokumentation „Das Massaker von No Gun Ri“ über die Hintergründe auf. Im Koreakrieg kämpften unerfahrene Soldaten, die bei der Invasion durch nordkoreanische Truppen ins Hintertreffen geraten waren. Die Flüchtlingsströme wurden als Bedrohung gesehen wurden. „Alle Zivilisten, die sich in der Gefechtszone bewegen, werden als feindlich betrachtet“, zitiert Wiese einen Befehl. Wieso US-Soldaten drei Tage lang auf unbewaffnete Zivilisten schossen, bleibt dennoch unfassbar. Für Charles Hanley, Reporter der Nachrichtenagentur AP, der 1999 erstmals über No Gun Ri berichtet hatte, war Rassismus mit im Spiel. Er zitiert einen General, der seinen Truppen befahl, „die Straßen von all dem Müll zu reinigen“.

Eindrucksvoll wird der Film durch die Berichte der Augenzeugen, sowohl der US-Veteranen als auch der koreanischen Überlebenden. Es sind schreckliche Erinnerungen, wie sie nur der Krieg hervorbringt: Im Tunnel verschanzen sich die Menschen hinter den Leichen und stillen ihren Durst aus blutgetränkten Pfützen. Eine Frau gebärt ein Kind, richtet sich auf, um es zu stillen, und wird erschossen. Der Vater wirft das Baby weg, weil dessen Geschrei neues Maschinengewehrfeuer provoziert. Stoff für Albträume, fast 50 Jahre vergessen, und bis heute vertuscht. Koreaner meldeten mittlerweile 60 weitere Vorfälle, in denen die US-Armee im Krieg auf Zivilisten schoss. 1953 kehrten die Soldaten als gefeierte Sieger heim, was die Bereitschaft, ihre Taten zu hinterfragen, nicht förderte. Auch die Veteranen finden im Film – mit einer Ausnahme – keine Worte des Bedauerns.

Das Massaker von No Gun Ri,

ARD, 23 Uhr 45

tgr

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