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80 Prozent der Deutschen denken, sie gehörten zur Mittelschicht. Es sind aber viel weniger.

© dpa/Thomas Banneyer

Mittelschicht leicht geschrumpft: Ifo: Höchste Steuer- und Abgabenlast in Europa

Die Mittelschicht in Deutschland ist laut Ifo leicht auf 63 Prozent geschrumpft. Aber wer gehört eigentlich zur Mittelschicht?

Die Mittelschicht in Deutschland ist zuletzt leicht geschrumpft. Gehörten 2007 noch 65 Prozent der Bevölkerung der Mittelschicht an, waren es 2019 nur noch 63 Prozent, wie am Montag aus einer Studie des Münchner Ifo-Instituts hervorgeht.

Grund dafür sei, dass sowohl durch sozialen Aufstieg als auch Abstieg die Ränder der Mitte schrumpften. Das zeigt die Untersuchung im Auftrag der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung.

Mehrarbeit und mehr Leistung zahlen sich daher in der Mittelschicht netto nur sehr begrenzt aus

 Andreas Peichl, Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen

„Obwohl der Rückgang seit 2007 relativ moderat erscheint, ist er im Vergleich mit den anderen europäischen Ländern beachtlich“, erklärte Ifo-Forscher Florian Dorn.

Viele schätzen sich falsch ein

„Während Deutschlands Mittelschicht aufgrund ihrer Größe im Jahr 2007 noch auf Rang 9 und somit im oberen Drittel lag, ist sie 2019 nur noch auf Platz 14 und somit im Mittelfeld.“

Im europäischen Vergleich trägt die Mittelschicht in Deutschland demnach mit die höchste Steuer- und Abgabenlast.

„Mit einer Grenzbelastung von rund 50 Prozent des Bruttoeinkommens im deutschen Steuer- und Transfersystem bleibt Menschen mit mittlerem Einkommen vom nächsten hinzuverdienten Euro effektiv nur die Hälfte übrig“, sagte Andreas Peichl, Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen.

„Mehrarbeit und mehr Leistung zahlen sich daher in der Mittelschicht netto nur sehr begrenzt aus.“ Menschen mit mittleren Einkommen befänden sich am Rande ihrer Belastungsfähigkeit. Gleichzeitig zahle sich Mehrarbeit für Menschen mit niedrigem Einkommen im deutschen Steuer- und Transfersystem kaum aus.

Offenbar gibt es eine Schere zwischen der Selbstwahrnehmung der Menschen und der wirklichen Zugehörigkeit zur Mittelschicht. Denn zu dieser ordnen sich über 80 Prozent der Deutschen selbst zu.

Tatsächlich gehörten 2019 laut Ifo aber nur etwa 26,1 Millionen Haushalte in Deutschland statistisch der Mittelschicht an. Das entspricht mit 63 Prozent weniger als zwei Drittel aller Haushalte.

Für die Berechnungen legten die Autoren die Definition der Industriestaatengruppe OECD zugrunde. Demnach gehört zur Mittelschicht, wer zwischen 75 und 200 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat.

Bei Alleinstehenden entspricht das für 2019 einem verfügbaren Nettoeinkommen (inklusive Transfers) zwischen 17.475 und 46.600 Euro. Bei Paaren ohne Kinder beträgt die Spanne zwischen 26.212 und 69.900 Euro. Paare mit zwei Kindern gehören statistisch der Mittelschicht an, wenn sie über ein Einkommen von 36.698 bis 97.860 Euro verfügen.

Vom Ifo-Institut war zunächst keine Einschätzung zu erhalten, wie sich die Situation im Laufe der Corona-Jahre verändert haben dürfte.

Die Bundesregierung hatte Firmen sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern mit Hilfspaketen über die Konjunkturflaute hinweggeholfen. In der Pandemie-Zeit und wegen der hohen Inflation mussten viele Menschen ihren Konsum einschränken, die über wenig oder keine Sparrücklagen verfügten. (Reuters)

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