
© dpa/Robert Michael
„Wir arbeiten mit Hochdruck gegen die Zeit“: Räumung der Carolabrücke in Dresden kommt gut voran – aber Hochwasser der Elbe droht
An der eingestürzten Brücke in Sachsen wird fieberhaft gearbeitet, die Bundeswehr unterstützt. Aber die Pegel steigen. Bis Sonntag müssen die Maßnahmen abgeschlossen sein, so die Feuerwehr.
Stand:
Nach dem Teileinsturz der Carolabrücke über der Elbe in Dresden kommen die Abriss- und Räumarbeiten gut voran. „Wir arbeiten wirklich mit Hochdruck gegen die Zeit“, sagte Feuerwehrsprecher Michael Klahre am Morgen. In der Nacht seien die Arbeiten ununterbrochen fortgesetzt worden. „Wir kommen recht gut voran.“
Ziel sei es weiterhin, die Räumungsarbeiten bis Sonntag durchgeführt zu haben. „Denn der Pegel steigt weiter, und wenn dieser Bereich hier überflutet ist, dann können wir hier nicht mehr arbeiten“, erklärte Klahre mit Blick auf das für die Elbe erwartete Hochwasser.
Wir fahren hier auf Sicht.

Michael Klahre, Sprecher der Feuerwehr Dresden
Am Freitagabend waren zwei Bergepanzer der Bundeswehr zur Unterstützung vor Ort eingetroffen. Dafür sei er dankbar, sagte Klahre. „Wir fahren hier auf Sicht.“ Wenn der Pegelstand steige, müsse man gegebenenfalls Technik zurücknehmen. Der Boden sei wegen des Regens bereits morastig, Geräte könnten sich festfahren. „Deswegen ist die Unterstützung der Bundeswehr auch so unglaublich wichtig.“

© dpa/SPM Gruppe
Die Sorgen sind groß, weil aufgrund von Dauerregen im Nachbarland Tschechien die Hochwassergefahr steigt. Am Wochenende wird in Sachsen ein starker Anstieg des Wasserstands der Elbe erwartet. Voraussichtlich am Samstagabend wird am Pegel Schöna die Alarmstufe 1 erreicht, für Dresden wird damit am frühen Sonntagmorgen gerechnet, wie das Landeshochwasserzentrum in einer Warnmeldung mitteilte.
„Die Wasserstände werden weiter sehr schnell bis in den Bereich der Alarmstufe 3 ansteigen“, so die Experten. Die höchsten Wasserstände an den sächsischen Elbepegeln werden derzeit ab Mittwoch und Donnerstag kommender Woche erwartet. Für Sachsen meldete der Deutsche Wetterdienst (DWD) am frühen Samstagmorgen, dass der Dauerregen bis zum Samstagmittag voraussichtlich abklingt. Die Nacht zum Sonntag soll demnach weitgehend niederschlagsfrei bleiben. Am Sonntag setzt der Prognose zufolge dann wieder Regen ein.
Die Einsatzkräfte hatten zunächst das erste Element des eingestürzten sogenannten C-Brückenzugs auf der Neustädter Seite zum Einsturz gebracht. Später sei der zweite Brückenteil des C-Brückenzugs eingestürzt, der sich zuvor immer weiter durchgebogen hatte. „Die Abrissarbeiten des C-Brückenzugs kommen damit planmäßig voran“, bilanzierte die Stadt. Die Trümmerteile werden demnach mit Spezialmaschinen zerkleinert, um sie abtransportieren zu können.

© IMAGO/Sylvio Dittrich/IMAGO/Sylvio Dittrich
Klahre hatte erklärt, „locker 50 Einsatzkräfte“ seien an der Carolabrücke aktiv. Mit Baggern, Presslufthämmern sowie Räum- und Abrissfahrzeugen werde am Brückenzuges C gearbeitet. Der eingestürzte Teil der Carolabrücke liegt weiterhin in der Elbe und versperrt die Durchfahrt.
C-Brückenteil der Carolabrücke war am Mittwoch eingestürzt
Der sogenannte C-Brückenteil, auf dem normalerweise die Straßenbahn verkehrt, war in der Nacht zum Mittwoch auf einer Länge von etwa 100 Metern in die Elbe gestürzt. Verletzt wurde nach Angaben der Behörden niemand. Die letzte Straßenbahn war kurz zuvor über die Brücke gefahren.
Um den Brückenkopf war ein Sicherheitsbereich von 100 Metern eingerichtet worden. Darin befinden sich das Finanzministerium sowie einige Flügel der Staatskanzlei. Das Ministerium und die betroffenen Staatskanzleibereiche wurden geräumt. Am Donnerstagnachmittag hatte Feuerwehrsprecher Klahre die Brücke und insbesondere ihren betroffenen Teil als „akut einsturzgefährdet“ bezeichnet.
In der Nacht zum Donnerstag hatten Spezialisten unter einen Auflagepunkt der Brücke einen sogenannten Bock gebaut, um das Bauwerk zu stützen, wie die Stadtverwaltung mitteilte. Danach erfolgten mit Unterstützung des Technischen Hilfswerkes (THW) die gleichen Stützarbeiten auf der anderen Elbseite.
Die Einsturzursache ist weiterhin unklar. Nach Angaben der städtischen Behörden war möglicherweise Korrosion durch Chlorid die Ursache. Die Brücke hat zwei weitere Teile für den Auto- und den Fußgängerverkehr, deren Zustand nun ständig beobachtet wird.

© dpa/Robert Michael
Kritik an der Bundespolitik wies Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) auch am Tag nach dem Dresdner Brückeneinsturz zurück. „Für den Bund hat die Modernisierung seiner Brücken höchste Priorität“, sagte er der „Bild“ am Donnerstag.
Das Sanierungsprogramm für Autobahnbrücken komme Wissing zufolge derzeit gut voran. „Dabei holen wir jetzt nach, was in den vergangenen Jahrzehnten unter Unionsführung vielerorts versäumt worden ist“, führte der FDP-Politiker weiter aus.
Vorrangig sei bei dem Sanierungsprogramm mit den großen Brücken begonnen worden, bei denen die Modernisierung aufwendiger sei und mehr Zeit beanspruche als bei kleinen Brücken.

© dpa/Robert Michael
Bereits in der Haushaltsdebatte am Mittwoch im Bundestag hatte Wissing betont, die Carolabrücke stehe in kommunaler Verantwortung und habe deswegen mit dem Bundeshaushalt nichts zu tun. „Aber man sieht an dieser Brücke, wie gefährlich es ist, wenn in Infrastruktur nicht sorgfältig investiert wird.“
Baugewerbe pocht auf mehr Investitionen in Sanierungsarbeiten
Der Einsturz in Dresden löste neue Diskussionen über den Zustand der Brücken in Deutschland aus. Insbesondere Forderungen nach mehr Investitionen in Sanierungsarbeiten stehen dabei im Fokus.
So pocht der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie darauf, der Sanierung von Brücken in Deutschland oberste Priorität einzuräumen. „Der Brückeneinsturz von Dresden ist dramatisch und tragisch zugleich, man kann von sehr großem Glück sprechen, dass keine Menschen zu Schaden kamen“, sagte Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller dem RND.
Empfohlener redaktioneller Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.
Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.
„Der Vorfall zeigt eindrücklich, wie hochsensibel unsere Verkehrsinfrastruktur ist und welchen wichtigen Part unsere Brücken übernehmen“, so der Verbandsvertreter.
Das Augenmerk auf diese Schlagadern müsse oberste Priorität haben. Das gelte nicht nur mit Blick auf den Vorfall in Dresden. „Das ist eine politische Aufgabe und gesellschaftliche Verpflichtung.“
Brückenexperte Martin Mertens kritisierte den Zustand deutscher Brücken allgemein als schlecht. „Grundsätzlich kann man sagen, dass bei den Großbrücken alle Brücken, die vor 1980 gebaut worden sind, unsere Problempatienten sind“, sagte der Professor von der Hochschule Bochum dem RND.
Dresden zeigt ganz klar: Es ist fünf nach zwölf.
Martin Mertens, Professor für Technische Mechanik, Baustatik und Brückenbau Hochschule Bochum
Das seien wegen des regelrechten Baubooms nach dem Zweiten Weltkrieg leider die meisten. Die Politik müsse reagieren. „Dresden zeigt ganz klar: Es ist fünf nach zwölf.“
Auch Wolfgang Schubert-Raab, Präsident des Zentralverbandes Deutsches Baugewerbe, pochte auf mehr Investitionen in Wartungsarbeiten. Den Einsturz in Dresden bezeichnete er in einer Mitteilung als „trauriges Symbol der deutschen Infrastruktur“, der den dringenden Handlungsbedarf vor Augen führe.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte wegen des schlechten Zustands der Brücken eine „Investitionsoffensive Infrastruktur“. Den Kommunen fehlten die finanziellen Mittel für die dringend notwendigen Sanierungsarbeiten, sagte Hauptgeschäftsführer André Berghegger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
„Der Einsturz der Carolabrücke in Dresden macht auf erschreckende Weise deutlich, dass Deutschland von der Substanz lebt.“ (dpa, Reuters, AFP)
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: