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Staatsanwalt in Italien ermittelt: Schiffsbauer wirft Crew nach Yacht-Unglück vor Sizilien „unbeschreibliche Fehler“ vor
Vier Tage nach dem Untergang der „Bayesian“ vor Sizilien sind nun alle Todesopfer gefunden worden. Experten rätseln, wie das Schiff so schnell untergehen konnte.
Stand:
Nach dem Tod des britischen Software-Unternehmers Mike Lynch und sechs weiterer Menschen auf einer Segelyacht im Mittelmeer vor der Küste Siziliens beginnt die Ursachenforschung, wie die „Bayesian“ so schnell untergehen konnte. Die Staatsanwaltschaft leitete eine Untersuchung wegen fahrlässiger Tötung ein.
Es werde gegen unbekannt wegen der möglichen „Verbrechen des fahrlässigen Schiffbruchs und mehrfacher fahrlässiger Tötung“ ermittelt, sagte Staatsanwalt Ambrogio Cartosio am Samstag zu Reportern. Der Staatsanwalt warnte jedoch, dass sich die Untersuchung noch in der „Anfangsphase“ befinde. „In diesem Stadium schließen wir absolut nichts aus, gerade weil sich die Untersuchung in jede Richtung entwickeln könnte.“
Rettungstaucher bargen am Freitag auch die Leiche der 18-jährigen Hannah, der Tochter von Mike Lynch, aus dem in 50 Meter Tiefe liegenden Wrack vor der Küste Siziliens, wie ein Behördenvertreter bestätigte. Sie war die letzte von sieben Vermissten, nachdem die ihrer Mutter gehörende Luxusyacht in einem Sturm am Montagmorgen vor dem Hafen von Porticello gekentert war. Am Donnerstag war die Leiche ihres Vaters geborgen worden.
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Zweifel an Darstellung des Kapitäns
Experten rätseln, weshalb ein Boot wie die 56 Meter lange „Bayeasian“ dem Sturm nicht standhielt und innerhalb weniger Minuten unterging.

© dpa/Jonathan Brady
Der Chef des Mutterkonzerns Italia Sea Group des Bootsbauers Perini, Giovanni Costantino, sprach in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters von einer „Serie unbeschreiblicher, unvernünftiger Fehler“ der Crew, die zu dem Untergang geführt hätten. Die Frage ist unter anderem, ob Luken und Türen offen waren, die angesichts des Sturms hätten geschlossen sein müssen.
Die italienische Küstenwache hat den Kapitän James Cutfield und die acht überlebenden Crew-Mitglieder im Auftrag der Ermittlungsbehörden befragt. Die Zeitung „La Repubblica“ zitierte Cutfield mit den Worten: „Wir haben es nicht kommen sehen.“ Allerdings gibt es auch Zweifel an dieser Darstellung.
Wir haben es nicht kommen sehen.
Kapitän der verunglückten Jacht
Die Antwort auf die Fragen könnte nur eine Bergung der Yacht geben. Sie liegt in 50 Meter Tiefe auf der Seite. Sie an die Wasseroberfläche zu bringen, würde inklusive der notwendigen Vorarbeiten sechs bis acht Wochen dauern und bis zu 15 Millionen Euro kosten, wie Mick Sloane sagte, der Ingenieur, der 2012 die Bergung des Kreuzfahrtschiffs „Costa Condordia“ geleitet hatte. Man müsse sie „sehr, sehr langsam“ nach oben hieven.
Segeltörn als Feier für Freispruch
Mike Lynch wollte mit dem Segeltörn im Mittelmeer einen juristischen Erfolg feiern. Der Gründer der britischen Softwarefirma Autonomy war in Kalifornien von deren heutigem Eigentümer Hewlett-Packard verklagt worden, wurde aber im Juni von einer Jury einstimmig freigesprochen.
Mit auf dem Boot waren ein Banker von Morgan Stanley, der zu seinen Gunsten ausgesagt hatte, ein Anwalt, der Lynch in dem Prozess vertreten hatte, sowie deren Ehefrauen. Sie alle kamen bei der Havarie um. Die offizielle Identifizierung und Leichenschau der Opfer soll in Palermo stattfinden.
15 Personen konnten sich retten
An Bord der „Bayesian“ waren 22 Menschen, von denen sich 15 retten konnten, darunter Lynchs Frau Angela Bacares, auf die das Schiff zugelassen ist. Ein Sprecher erklärte am Freitag in einer ersten Stellungnahme, die Familie sei „am Boden zerstört und im Schockzustand. Ihre Gedanken sind bei allen, die von der Tragödie betroffen sind.“

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Die 15 Jahre alte Luxusjacht wurde erst 2020 gründlich renoviert. Das Schiff war mit einem System ausgestattet, das den Tiefgang mehr als halbieren konnte: Unter normalen Segelbedingungen hatte es eine Kieltiefe von annähernd zehn Metern, wenn das bewegliche Schwert vollständig ausgefahren war.
Damit konnten die Gegenkräfte des 75 Meter hohen Mastes ausgeglichen werden. Der Tiefgang konnte jedoch auf etwa vier Meter reduziert werden – beispielsweise, um in einen Hafen zu kommen.
Lynch wird von Boulevardmedien in seiner Heimat gern als „britischer Bill Gates“ bezeichnet. Der Tech-Unternehmer hatte die Softwarefirma Autonomy 2011 für elf Milliarden US-Dollar (aktuell 9,94 Mrd Euro) an den US-Konzern Hewlett-Packard verkauft – eines der schlimmsten Übernahme-Debakel im Silicon Valley.
Lynch und dem früheren Finanzmanager Steve Chamberlain, der kürzlich beim Joggen tödlich von einem Auto erfasst wurde, wurde zur Last gelegt, Hewlett-Packard über den finanziellen Zustand des Unternehmens getäuscht zu haben. Ein Geschworenengericht in San Francisco sprach die beiden jedoch frei. (Reuters, dpa, AFP)
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