
© dpa/AZAMAT SARSENBAYEV
Nach Flugzeugabsturz in Kasachstan: Aserbaidschan und USA sehen Schuld vermutlich bei Russland
Beim Absturz der Maschine von Azerbaijan Airlines starben 38 der 67 Passagiere. Es gibt Hinweise auf eine Verwickelung des russischen Militärs. Eine Airline streicht bereits Flüge nach Moskau.
Stand:
Die Regierung in Baku führt nach Medienberichten den Absturz des beschädigten aserbaidschanischen Flugzeugs in Kasachstan auf Beschuss durch eine Flugabwehrrakete über Russland zurück. Die türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete, dies sei ihr durch ranghohe Staatsvertreter in Aserbaidschan bestätigt worden. Es wurden aber keine Namen genannt.
In Baku berief sich das Internetportal caliber.az ebenfalls auf nicht genannte Regierungsquellen. Demnach sei das Flugzeug am Mittwoch beim Anflug auf die russische Stadt Grosny von einer Flugabwehrrakete des Typs Panzir S getroffen worden. In mehreren Regionen des russischen Nordkaukasus seien um diese Zeit ukrainische Drohnen in der Luft bekämpft worden.
USA haben ähnliche Hinweise
Die USA haben offenbar ähnliche Hinweise. Laut einem US-Regierungsvertreter deuten sie darauf hin, dass ein russisches Flugabwehrsystem das in Kasachstan abgestürzte Passagierflugzeug von Aserbaidschan Airlines getroffen haben könnte. Dies berichteten unter anderem die Sender CNN und ABC News unter Berufung auf den Beamten.
Sollten sich erste Anzeichen bestätigen, sei denkbar, dass schlecht ausgebildete russische Einheiten bei der Abwehr ukrainischer Drohnen das Ziel verwechselt hätten, sagte der US-Beamte demnach. Das Weiße Haus verwies jedoch auch auf Personal in der Region, da die Ermittlungen noch andauerten.
Ein israelisches Unternehmen zieht wegen der Entwicklungen bereits Konsequenzen. Die israelische Fluggesellschaft El Al hat alle Flugverbindungen zwischen Tel Aviv und Moskau für diese Woche eingestellt. Grund seien die „Entwicklungen im russischen Luftraum“, teilte die Airline am Abend mit. Sie werde kommende Woche neu beurteilen und entscheiden, ob die Flüge wieder aufgenommen würden.
Piloten baten offenbar um Notlandung
Nach Angaben des aserbaidschanischen Portals caliber.az baten die Piloten der abgestürzten Maschine um eine Notlandung auf den nächstgelegenen russischen Flughäfen Mineralnye Wody oder Machatschkala. Dies sei nicht genehmigt worden, sodass die Crew das beschädigte Flugzeug über das Kaspische Meer hinweg nach Aktau in Kasachstan gesteuert habe.
Bei einem Landeversuch dort stürzte die Maschine vom Typ Embraer 190 ab. Rettungsmannschaften haben aus den Trümmern der Maschine 29 Überlebende geholt, teilweise schwer verletzt. Auch ein elfjähriges Mädchen aus Deutschland soll überlebt haben.
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Insgesamt 38 Menschen seien ums Leben gekommen, sagte der kasachische Vize-Regierungschef Qanat Aldabergenuly Bosymbajew der kasachischen Nachrichtenagentur Tengrinews am Unglücksort. Nach offiziellen Angaben der Fluglinie Azerbaijan Airlines waren 67 Menschen an Bord.
Fotos des Heckteils der Unglücksmaschine zeigen Schäden, die den Einschlaglöchern von Metallsplittern aus Flugabwehrwaffen ähneln. Die zwei Flugschreiber der Embraer wurden nach kasachischen Angaben gefunden.

© REUTERS/Social Media
In der Ukraine, im Lager der russischen Opposition im Ausland und selbst von kremltreuen Militärbloggern gab es schon seit Mittwoch die Vermutung, die russische Flugabwehr habe die Maschine bei der Abwehr eines ukrainischen Drohnenangriffs getroffen.
Der russische Blogger und Militärexperte Juri Podoljaka erklärte im Onlinedienst Telegram, die Löcher, die im Flugzeugwrack zu sehen seien, ähnelten den Schäden, die durch ein „Flugabwehrraketensystem“ verursacht würden. „Alles deutet darauf hin“, erklärte er.
Moskau warnt vor Spekulationen
Russland warnte indes vor Spekulationen zu einem möglichen Abschuss. „Zurzeit läuft eine Untersuchung, jeder Vorfall in der Luftfahrt muss von spezialisierten Luftfahrtbehörden untersucht werden“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow der staatlichen russischen Nachrichtenagentur Tass zufolge.
„Es wäre falsch, eine Hypothese aufzustellen, bevor die Schlussfolgerungen der Untersuchung vorliegen.“ Auch der Vorsitzende des Senats in Kasachstan, Maulen Aschimbajew, nannte die Abschuss-Theorie einen „Hype“ und wies sie als nicht belegte Behauptung zurück.
Azerbaijan Airlines wiederum führte den Schaden am Flugzeug zunächst auf die mögliche Kollision mit einem Vogelschwarm zurück. Dieses Szenario hält Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt für unwahrscheinlich. „Das realistische Szenario ist eine Einwirkung von außen“, sagte er der Tagesschau. „Das Flugzeug war extrem schwer beschädigt, nicht steuerbar. Das ist nichts, was zum Beispiel durch einen Vogelschwarm erzeugt wird, da fallen die Triebwerke aus, aber das Flugzeug bleibt steuerbar.“
Passagiere überlebten im Heck der Maschine
Der Internet-Flugzeugtracker Flightradar24 analysierte, dass die beschädigte Maschine die letzten 74 Minuten nur beschränkt steuerbar über das Kaspische Meer geflogen sei.
Die Agentur Tengrinews veröffentlichte ein Video aus der Kabine der Unglücksmaschine, das heruntergefallene Sauerstoffmasken zeigt, ebenso wie aufgeregte Rufe von Passagieren und die Aufnahme eines bärtigen Mannes, der immer wieder „Allahu Akbar“ (Gott ist groß) ruft. Wann genau das Video aufgenommen wurde, war nicht ersichtlich.
Beim Aufprall ging der Kurz- und Mittelstreckenjet in Flammen auf, wie Videos in sozialen Netzwerken zeigten. Fotos zufolge wurde das Heck weniger beschädigt. Aus diesem Wrackteil wurden nach Medienberichten überlebende Passagiere gerettet. Bug und Mittelteil wurden dagegen zerstört.
Die regionale Gebietsverwaltung von Mangistau veröffentlichte eine Liste der Verletzten, auf der sich auch die Namen zweier Kinder fanden. Ein elfjähriges Mädchen gab an, in Deutschland zu wohnen. Seine Staatsangehörigkeit kenne es nicht. Der Liste nach hatten 14 Überlebende die Staatsangehörigkeit von Aserbaidschan, zehn von Russland und zwei von Kirgistan.
Am Mittwochabend veröffentlichte die kasachische Agentur Tengrinews eine komplette Passagierliste, auf der auch die Staatsangehörigkeit fast aller Insassen aufgeführt wird. Bei einer Frau fehlten alle Angaben zur Person, ein elfjähriges Mädchen wurde mit deutscher Staatsangehörigkeit aufgelistet. (dpa, Reuters, Tsp)
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