Panorama: Auf Kosten der Wahrheit
Indonesien vertuschte die Vogelgrippe. Bis Tierärzte redeten. Viele Händler wollen es immer noch nicht glauben
Moritz Kleine-Brockhoff, Jakarta
Viele dösen, ein paar gurren, einige strecken ihren Hals und schauen neugierig um sich. „Meine Hühner sind alle gesund, es geht ihnen prächtig", meint Subandi und öffnet die Tür des Stalls, „heute morgen sind 1500 gekommen, die meisten habe ich schon verkauft, ein paar Dutzend sind noch da." Subandi – ein Mann von Mitte 30, mit freundlichem Gesicht und dünnen Haaren auf Oberlippe und Kinn – leitet einen Hühnergroßhandel im Westen Jakartas. Gut zehn Millionen Menschen leben in der indonesischen Hauptstadt. Sie essen am liebsten Reis mit Huhn, „Nasi Goreng Ayam". Und „Sate Ayam", kleine Spieße mit gegrilltem Hühnerfleisch.
„Sollte die Vogelgrippe kommen, wäre das für Händler und Verkäufer der Ruin. Aber das passiert bestimmt nicht", sagt Subandi.
Die Vogelgrippe ist längst da. Aber Subandi beteuert, dass die Vogelgrippe noch nicht in Jakarta sei, das habe schließlich im Fernsehen ein Mann vom Agrarministerium gesagt. Dass das Ministerium monatelang millionenfaches Hühnersterben in Indonesien verschwieg, dass der Agrarminister noch am Wochenende mit Hühnerfleisch im Mund erklärte, sein Land sei frei von Vogelgrippe, dass der Minister am Montag nach Berichten von Tiermedizinern plötzlich „Geflügelinfluenza" einräumte und das alarmierende Wort „Vogelgrippe" immer noch nicht in den Mund nimmt – all das wischt Subandi mit einer flüchtigen Handbewegung weg: „Die Regierung weiß gewiss, was sie tut. Die wird das schon regeln." So reden viele in Jakarta. Bis Ende der 90er wurden die hierarchiebewußten Indonesier von Militärs regiert. Jahrzehntelang stimmte für sie fast alles, was von oben kam. Das spürt man auch heute, in Demokratiezeiten, noch oft. Politiker wissen das.
Die Vogelgrippe ist seit Herbst 2003 in 51 Gebieten Indonesiens aufgetaucht, fünf Millionen Hühner seien gestorben, berichten Tierärzte. Das besonders gefährliche H5N1-Virus sei im Dezember nachgewiesen worden. Indonesiens Regierung spricht von einem „Disput unter Experten", vielleicht sei es ja gar nicht die Vogelgrippe, die indonesische Hühner krank mache.
Subandis Betrieb liegt an der schmalen Kelapa-Tinggi-Staße. Die Menschen hier kommen mit Mühe über die Runden. Viele von ihnen leben vom Hühnerhandel. Sie kaufen nachts bei Subandi ein, zu Hause schlachten sie die Tiere, nehmen sie aus, schneiden Teile. Frühmorgens verkaufen sie ihre Ware auf Märkten. Wardianto, ein Kettenraucher mit tiefen Augenringen, macht das seit 1985 sechs Mal die Woche. „Solche Krankheiten kommen und gehen", sagt er. „In Thailand ist es ernster, die müssen ja mit Hilfe der Armee Millionen Hühner vernichten. Bei uns lässt die Regierung gar keine Hühner töten, es kann also nicht so schlimm sein."