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Panorama: Böller in der Diskothek gezündet: 175 Tote

Inferno in Buenos Aires. Der Notausgang war verschlossen, in der Damentoilette war für weibliche Gäste ein Kinderhort eingerichtet

Es war ein heißer Sommerabend, und die Stimmung in der Diskothek „Republica Cromagnon“ in Buenos Aires war ausgelassen. Es spielte die Rockband Callejeros. Die jugendlichen Besucher johlten und ließen Knallfrösche los. „Tut das nicht, lasst die Boller stecken, sonst sterben wir hier drin alle!“ forderte der Bandsänger Santos Pato Fortanet mehrere tausend Gäste auf. Die antworteten mit Pfiffen und Buhrufen. „Scheißbullen“, beschimpften sie die Sicherheitskräfte, die versuchten, für Ordnung zu sorgen. Dann – das Konzert hatte kaum begonnen – schlug ein Böller im Dach ein. „Plötzlich regnete es Feuer; alles stand in Flammen“, schilderte die 20-jährige Laly Reyes. „Das Licht ging aus, überall vernebelte schwarzer, beißender Rauch die Sicht, es war ein Riesengedränge und Geschrei, aber zum Glück nahm mich mein Vetter Fabian am Arm und zusammen mit seiner Schwester Melu rannten wir einen dunklen Gang entlang und standen schließlich auf dem Parkplatz“, erzählte sie. „Wir sind noch einmal davongekommen.“ Laly, Melu und Fabian hatten einen der beiden offenen Ausgänge erwischt.

Doch 175 Menschen hatten nicht so viel Glück. Sie starben in dem Inferno. „Viele waren betrunken. Statt zu den Ausgängen zu laufen, rannten sie in die obere Etage, wo die Toiletten waren. Dort erstickten sie oder wurden von anderen zu Tode getrampelt“, berichtete Roberto Gutierrez, Kellner einer benachbarten Bar, der bei den Rettungsarbeiten half. Es war eine der schlimmsten Brandkatastrophen in der argentinischen Geschichte. Fast 900 Konzertbesucher trugen schwere Verbrennungen und Rauchvergiftungen davon. Über den Jahreswechsel suchten verzweifelte Eltern in den örtlichen Krankenhäusern nach ihren Kindern. Viele der Opfer konnten zunächst nicht identifiziert werden, weil sie keine Papiere bei sich hatten. Die Überlebenden standen unter Schock; viele riefen immer wieder die Namen ihrer vermissten Verwandten und Freunde und beschimpften das Krankenhauspersonal, weil die Autopsien zu lange dauerten.

Im Laufe der Ermittlungen stellte sich heraus, dass der Notausgang des Nachtclubs mit Schlössern verriegelt war. „Offenbar sollte so verhindert werden, dass sich Leute ohne Eintrittskarten Zugang verschaffen“, vermutete der Bürgermeister von Buenos Aires, Anibal Ibarra. Innenminister Anibal Fernandez kritisierte die mangelhaften Sicherheitsvorkehrungen in der Diskothek.

Er bestätigte, dass unter den Toten auch Kinder unter zehn Jahren seien. Die Damentoilette in der oberen Etage des Klubs sei zum Hort umfunktioniert worden, in dem sich Kinder und sogar Babys aufgehalten haben sollen, während ihre Mütter tanzen gingen.

Der nach der Tragödie untergetauchte Klubbesitzer Omar Chaban wurde aufgespürt und festgenommen. Die laxen Sicherheitsauflagen für Gebäude haben in Lateinamerika schon zu mancher Tragödie geführt. Im August starben in Paraguay 359 Menschen bei einem Brand in einem Supermarkt, weil die Sicherheitskräfte die Ausgänge verriegelt hatten.

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