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Dieser verletzte Jaguar hat sich an ein Flussufer gerettet, wo er von Flammen geschützt ist.

© AFP

Brände in Brasilien: Das Leid der Jaguare

Das Pantanal in Brasilien, eine der artenreichsten Regionen der Erde, steht in Flammen. Es sind die heftigsten Brände seit 20 Jahren – die Tiere leiden besonders.

Es sind erschütternde Bilder, die die Brasilianer nun aus dem Pantanal erreichen, dem größten tropischen Feuchtgebiet der Erde, das auch Teile Boliviens und Paraguays umfasst. Seit Wochen steht die Region, die etwa halb so groß wie Deutschland ist, in Flammen, die Rauchschwaden haben mittlerweile auch die Großstadt Cuiabá erreicht. An immer wieder neuen Orten flammen Brände auf, Feuerwände schieben sich vorwärts, angefacht von Winden und begünstigt von extremer Trockenheit und Temperaturen von über 40 Grad.

Besonders unter dem Feuer leiden die Tiere des Pantanal, das eine der größten Artenvielfalten des Planeten aufweist. Zahlreiche Vogel-, Reptilien- und Säugetierarten leben hier, einige sind vom Aussterben bedroht. Außerdem ist das Pantanal die Heimat der größten Jaguarpopulation der Welt, des mächtigsten Raubtiers Südamerikas.

Die Bilder aus den Brandzonen erzählen nun vom verzweifelten Überlebenskampf der Tiere. Da liegt ein Ozelot, offenbar im Rauch erstickt, verkrümmt am Straßenrand. Verkohlte Kaimane mit wie im Schrei aufgerissenen Mäulern liegen in ausgetrockneten Bachläufen. Ein Biologe hat eine Schlange gefunden, die sich selbst gebissen hat, um dem Tod durch Verbrennen zu entgehen, vermutet er. Andere Tiere, die in den Flammen verenden, sind Tapire, Affen und Nasenbären.

Freiwillige, darunter Touristenführer, Biologen und Tierärzte, versuchen nun, das Möglichste zu unternehmen, um die Tiere zu retten. Ihr besonderes Augenmerk gilt den Jaguaren, die nicht nur wichtig für die Regulierung der anderen Tierpopulationen sind, sondern auch eine der größten Touristenattraktionen des Pantanal.

Häufig werden die Jaguare völlig erschöpft und orientierungslos aufgefunden. Viele der Tiere haben stark verbrannte Pfoten, weil die Feuer nicht nur die Vegetation vernichten, sondern auch unterirdisch glimmen.

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Glühende Böden verbrennen die Böden

Auf der Flucht geraten die Jaguare häufig auf solche glühenden Böden und verletzten sich die Pfoten so schwer, dass sie nicht mehr laufen können. Ebenfalls gravierend ist die Dehydrierung der Tiere, die kein Wasser mehr finden, weil die Flüsse und Seen ausgetrocknet sind. Die Luftfeuchtigkeit im Pantanal beträgt derzeit weniger als zehn Prozent.

Ein Jaguar lauert im Park Encontro das Aguas im Pantanal.
Ein Jaguar lauert im Park Encontro das Aguas im Pantanal.

© Andre Penner/AP/dpa

Die Fläche, die bisher in dem Naturjuwel verbrannt ist, übersteigt laut Brasiliens Umweltbehörde Ibama bereits 2,3 Millionen Hektar. Das entspricht etwa der Größe Mecklenburg-Vorpommerns. Damit sind die Feuer im Pantanal die verheerendsten seit 1998.

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Und ein Ende der Brände ist nicht in Sicht. Über tausend Feuerwehrleute kämpfen verzweifelt am Boden und mit Löschflugzeugen gegen die Flammen. Sie berichten, dass sie nicht viel ausrichten könnten. Die Feuer würden durch heiße Winde angefacht und änderten ständig ihre Richtung, man müsse aufpassen nicht eingekreist zu werden. Ein Feuerwehrmann verlor in den Flammen bereits sein Leben.

Die Ursachen für die Brände sind vielfältig. Die Feuer können wegen der großen Trockenheit im August und September auf natürliche Weise ausbrechen. Allerdings gibt es mittlerweile auch immer mehr Hinweise auf Brandstiftung durch Landwirte, die ihre Weiden und Felder ausdehnen wollen.

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Brasiliens Regierung reagiert auf die Umweltkatastrophe – wie auch auf die Brände in der nördlicheren Amazonasregion – mit erstaunlicher Passivität. Präsident Jair Bolsonaro hat sich bisher nicht zu den Feuern im Pantanal geäußert. Über die Brände im Amazonas, die dieses Jahr wieder neue Rekordzahlen erreicht haben, sagte er, es seien „Lügen“.

Die Regierung lenkt ab

Vizepräsident General Hamilton Mourão behauptet sogar, die Daten über die Brände, die von Brasiliens renommierter Weltraumbehörde Inpe stammen, würden von Leuten manipuliert, die der Regierung schaden wollten.

Schließlich meldete sich auch Umweltminister Ricardo Salles zu Wort. Er wird von Umweltschützern heftig kritisiert, weil er immer wieder die Interessen der Agrar- und Minenindustrie über die der Umwelt stellt. Er sagte über Situation im Pantanal, dass sie „kritisch“ sei.

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Und er präsentierte sogar eine eigene Theorie über die Feuersbrünste: Das Verbot, kontrollierte Brände zu legen, sei schuld. So hätten es die Bauern früher gemacht und dadurch trockene Vegetation beseitigt, die nicht mehr als Brandbeschleuniger dienen könne. Salles’ Theorie wird von Experten zurückgewiesen. Viel wichtiger sei die extreme Trockenheit, sagte die Klimaforscherin Julia Arieira von der Bundesuniversität Espírito Santo. Während der Regenzeit von November bis April sei viel zu wenig Niederschlag gefallen.

Hinter der Trockenheit vermutet die Forscherin den Klimawandel. Für die Feuerwehr steht fest, dass derzeit nur eine Sache die Brände aufhalten könnte: starker Regen.

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