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Goody

© AFP

Großbritannien: Britin vermarktet ihren eigenen Tod

Eine ehemalige Teilnehmerin der Realityshow Big-Brother ist todkrank. Jade Goody will vor laufender Kamera sterben. "Mir ist es egal, was die Leute denken," sagt die 27-jährige Britin.

Jade Goody war bisher nichts weiter als eine etwas prollige ehemalige Big-Brother-Insassin. Doch jetzt ist die 27 Jahre alte Britin todkrank. Und sie hat sich entschieden, ihren Tod an die Medien zu verkaufen. Mit dem Geld will sie ihren zwei kleinen Söhnen das spätere Leben finanzieren. Seit Wochen verfolgt ganz Großbritannien hautnah das öffentliche Sterben einer jungen Frau. Zwischen Abscheu und Mitgefühl schwankend kann sich scheinbar keiner der Faszination dieses medialen Untergangs entziehen.

Denn die Geschichte Goodys enthält alles, was das moderne Mediendrama braucht: ein wenig Proll, ein wenig Häme, ein wenig Romantik und ganz viel Tod. Und es zeigt, dass Menschen für Geld selbst ihre Seele verkaufen. Die letzte Konsequenz des Konzepts der Reality-Show ist das "Reality-Sterben", das hat Goody selbst erkannt: "Ich habe mein Leben vor der Kamera gelebt. Und vielleicht werde ich auch vor der Kamera sterben."

"Mir ist es egal, was die Leute denken"

Umgerechnet mehr als eine Million Euro hat sie bisher von der Vermarktung ihres nahenden Todes bekommen. "Manche Leute mögen das nicht gut finden, was ich mache. Aber mir ist es an diesem Punkt in meinem Leben egal, was die Leute denken", sagt sie. Schließlich bleiben ihr nur noch wenige Wochen zu leben, nachdem der Gebärmutterhalskrebs inzwischen den ganzen Körper zerfressen hat.

Aber Goody hat sich noch nie sonderlich um ihr Image geschert. Sie wuchs in schäbigen Verhältnissen im Londoner Süden bei ihrer drogenabhängigen Mutter auf, der Vater verließ die Familie und saß wegen Raubes im Gefängnis. Eine ordentliche Schulbildung gab es nicht. Für Schlagzeilen sorgte Goody erstmals, als sie 2002 in das Big-Brother-Haus einzog und als "Miss Piggy" verhöhnt wurde.

Fünf Jahre später wurde Goody international bekannt, als sie die indische Bollywood-Schauspielerin Shilpa Shetty in einer Staffel der Container-Show mit rassistischen Beleidigungen überzogen und einen Skandal provoziert hatte. Doch anders als andere Big-Brother-Teilnehmer hielt sich Goody als C-Prominenz in den Klatschspalten.

Das menschliche Leiden im Realityformat für die Couch

Ihre Krebsdiagnose im vergangenen August katapultierte sie dann auf traurige Weise zurück ins volle Rampenlicht. Seitdem klar ist, dass sie bald stirbt, guckt Großbritannien dem Drama jeden Tag vom Wohnzimmer aus zu. In aller Eile heiratete die von der Chemotherapie glatzköpfige Goody zuletzt im Scheinwerferlicht ihren verurteilten Freund. Das Justizministerium lockerte dazu sogar die Auflagen, die der Bräutigam nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis hatte.

Selbst Premierminister Gordon Brown hieß das Vorhaben der Sterbenden, mit dem Geld der Medien die Familie zu unterstützen, in einer seiner regulären Pressekonferenzen für gut. Das wäre etwa so, als würde Kanzlerin Angela Merkel das Treiben des damaligen deutschen Big-Brother-Prolls Zlatko bei der Bundespressekonferenz kommentieren.

Dass Goodys Kamerafahrt in den Tod so "erfolgreich" ist, dafür ist auch der geniale wie schamlose PR-Guru Max Clifford verantwortlich. Clifford verkauft nicht nur die "Traumhochzeit" Goodys, sondern auch die bevorstehende Taufe ihrer Söhne und wohl bald die Beerdigung. Die Presse hängt quasi an seinem Tropf. Die seriöse Zeitung "The Guardian" ging sogar schon soweit, den Hype um den Tod Goodys mit dem von Prinzessin Diana oder von Papst Johannes Paul II. zu vergleichen.

Voyeristischer Medienhype um den öffentlichen Tod

Es ist nicht so, dass britische Medien sonst zurückhaltend mit Klatschgeschichten sind. Doch was sich in diesem Fall abspielt, hat eine andere Dimension - zumal es sich nicht mal um "echte" Prominenz wie McCartney oder Madonna handelt. Nicht nur lacht beziehungsweise weint Goody tagtäglich von den Titeln der Boulevardblätter. Auch das Fernsehen berichtet in unzähligen Beiträgen über ihr Schicksal.

Abwechselnd ruft sie ihre Ärzte dazu auf, sie sterben zu lassen oder verkündet ihr Glück nach der Hochzeit. Kurzfristig wurde sie in ein Hospiz gebracht, wo sie etwas zur Ruhe kommen sollte. Aber als die Schmerzen zu groß wurden, musste sie das Hospiz wieder verlassen und kam ins Krankenhaus.

Die gelernte Zahnarzthelferin findet es okay, dass sie sich selbst verkauft und so viel Geld wie möglich für ihre Söhne zusammenbringen will. "Ich habe mein ganzes Erwachsenenleben damit verbracht, über mein Leben zu sprechen. Der einzige Unterschied ist jetzt, dass ich über meinen Tod spreche."

Annette Reuther[dpa]

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