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Panorama: Dabei sein ist alles – nur nicht für Hunde

Athen putzt sich für die Olympischen Spiele heraus. Deswegen sollen die streunenden Vierbeiner der Stadt in den Zwinger

Am Omoniaplatz stieg er zu. Er machte es sich auf dem Boden bequem, legte den Kopf auf die Vorderpfoten und blinzelte umher als wollte er sagen: „Na und?“ Die anderen Fahrgäste wirkten teils amüsiert, teils irritiert. Ein Hund in der Athener U-Bahn, das ist eigentlich nicht erlaubt. Und dieser hier fährt auch noch ganz allein, ohne Leine, ohne Herrchen oder Frauchen. Kein Halsband, keine Hundemarke, ein Herumtreiber offenbar.

„Den kenne ich“, sagt ein älterer Herr, „der fährt häufiger mit. Am Omoniaplatz steigt er ein, in Faliron wieder aus.“ Ein anderer Fahrgast meldet sich zu Wort: „Ich hab ihn auch schon gesehen, gestern, auf der Rückfahrt.“ Der Hund zieht die Augenbrauen hoch, legt den Kopf etwas schräg und spitzt die Ohren, als hörte er interessiert zu.

Die schon vor 75 Jahren gelegte Linie 1 der U-Bahn verbindet den Villenvorort Kifissia mit dem Hafen von Piräus. Eine richtige U-Bahn ist es eigentlich nicht, denn nur im Stadtzentrum verschwinden die Gleise für wenige Kilometer im Untergrund. Ansonsten schlingert die Bahn auf ausgefahrenen Gleisen ebenerdig durch Athen. „Nächste Station, Monastiraki“, krächzt es aus dem Lautsprecher. Der vierbeinige Fahrgast, ein etwas verwahrloster schwarz-weißer Mischling, macht keine Anstalten auszusteigen. Auch nicht in Petralona, Kallithea oder Moschato. Dann hält der Zug in Faliron. Und tatsächlich: der Hund steigt aus.

Woran erkennt er nur die richtige Station? „Am Lärm“, glaubt der ältere Herr. Draußen rattern die Presslufthämmer. Hier bauen sie für Olympia. In Faliron sollen einige Wettbewerbe der Sommerspiele 2004 stattfinden. Ob es klug ist, dass der vierbeinige Fahrgast hier aussteigt? Hoffentlich läuft er keinem Olympia-Organisator über den Weg. Denn herrenlose Hunde sind denen ein Gräuel. Vor dem absehbaren Verkehrschaos scheinen sich die Veranstalter ebenso wenig zu fürchten wie davor, dass einige Sportstätten nicht rechtzeitig fertig werden könnten. Aber dass den Olympia-Gästen ein streunender Hund über den Weg läuft – pfui!

Etwa 10 000 allein lebende Hunde gibt es in Athen, schätzt die Stadtverwaltung. Sie integrieren sich ganz manierlich ins Großstadtleben. Nicht alle können U-Bahn fahren, aber die meisten beachten die Fußgängerampeln, und in der Mehrzahl sind sie so friedlich wie die unzähligen Tauben in Athen. Davon, dass sie Menschen anfallen, liest man in den Zeitungen nie etwas. Dennoch sind dem Organisationskomitee die Hunde ein Ärgernis. Hundefänger sollen nun ausschwärmen und die Vierbeiner dingfest machen. Die Weibchen werden sterilisiert, damit kein Nachwuchs mehr kommen kann. Die Olympia-Organisatoren haben bereits ein 100 000 Quadratmeter großes Gelände am Stadtrand Athens angemietet, um dort während der Spiele die herrenlosen Hunde unterzubringen. Hoffentlich liegt das Gelände in der Nähe einer U-Bahn-Station.

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