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Nah am Wasser. Reisbauer Richard Jardim hat die diesjährige Ernte abgeschrieben – sein Feld wurde vom Meer überschwemmt.

©  Sandra Weiss

Das Schicksal der Küstenbewohner von Guyana: Der Dammbruch

Die besiedelte Küstenregion Guyanas wird bald nicht mehr zu bewirtschaften und zu bewohnen sein. Immer höher sind die Wellen, die gegen den Damm schlagen.

Zwanzig Hektar Land besitzt Richard Jardim. Das reichte seinem Vater früher locker, um die Großfamilie zu versorgen. Heute steht sein Sohn kopfschüttelnd auf einem rissigen, nackten Lehmboden. „Nichts wächst hier. Alles ist braun und vertrocknet“, sagt der 27-jährige Reisbauer aus Guyana.

Ab und zu ragt ein vertrockneter Halm aus der Erde hervor. An manchen Stellen schimmert sie rot, an anderen weiß. „Das ist das Salz“, fügt Jardim hinzu. Nicht nur sein Reisfeld sieht so aus. In Content, an der Küste von Guyana, brach vor einem Jahr der Damm. „Als ich am Morgen meine Kühe suchte, fand ich sie in einem Salzsee“, erzählt Jardim.

Sein Hof ist knappe zwei Kilometer von der Atlantikküste entfernt. Die Felder liegen einen halben Meter unterhalb des Meeresspiegels. Wie der Großteil der Küste des südamerikanischen Landes. „Land der vielen Wasser“, bedeutet der Name Guyana in der Sprache der Ureinwohner.

Als die Holländer ankamen, bestand Guyana aus Flüssen, Seen und Mangrovensümpfen mit einem moskitoverseuchten Dschungel dahinter. Andere Seefahrer hatten sich schleunigst davongemacht; die Holländer blieben und machten das Land urbar. Sie setzten die gleichen Methoden ein wie in ihrer Heimat: Dämme, Polder, Deiche und Stauwehre.

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Es war eine Knochenarbeit, die viele der eingeschleppten schwarzen Sklaven nicht überlebten. So wurde der Küstenstreifen bewohnbar gemacht. Er wurde als erstes besiedelt. Eingeklemmt zwischen dem Atlantik und dem Demerara-Fluss liegt auch die Hauptstadt Georgetown, in deren Einzugsgebiet 170 000 der 786 000 Einwohner des Landes leben. Wie lange der Klimawandel das noch zulässt, ist fraglich.

Salzwasser dringt ein

Alle blicken gebannt auf den „seawall“, den großen Damm, der mehr als 450 Kilometer lang ist. Auch Klimaexperte Mark Ram. Und zwar mit zunehmender Sorge. „Die Brandung wird von Jahr zu Jahr stärker und das Meer rückt immer weiter vor“, sagt der Biologe von der Universität von Guyana. Die Brandung zerstöre sogar Mangrovenwälder, die jahrhundertelang eine effiziente Barriere gegen die Meeresbrandung waren.

Über die Flussmündungen dringt das Salzwasser in die Bewässerungskanäle ein. Die Böden versalzen, die Ernten vertrocknen. Dass sich das Klima ändert, merkt auch Jardim: „Wir bauen hier Reis an seit ich ein Kind bin, und nie gab es solche Dammbrüche. Wenn wir als Kinder badeten, kletterten wir über den Damm und mussten noch 200 Meter bis zum Ufer laufen, jetzt ist das Meer direkt am Damm“, sagt er. Die diesjährige Reisernte hat er schon abgeschrieben. Nun sorgt der Klimawandel auch noch für ausbleibende Regenfälle. Das verteuert das Futter, das Jardim für seine Kühe dazukaufen muss.

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Für den Biologen Mark Ram gibt es langfristig nur eine Lösung. „Die Uhr tickt. Der Moment wird kommen, an dem wir alle umziehen müssen in höher gelegene Regionen. Und meiner Meinung nach sollten wir das jetzt schon planen.“ Davon wollen die Politiker nichts wissen. Das Thema Klimawandel steht zwar auf ihrer Agenda, aber hauptsächlich brüsten sie sich damit, dass in ihrem Land noch 85 Prozent der Wälder stehen.

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Ein Problem für Umsiedlungspläne ist die Zentralisierung Guyanas. 90 Prozent der 750 000 Einwohner Guyanas leben in der bedrohten Küstenregion. Auch fast die komplette landwirtschaftliche Nutzfläche befindet sich dort. Die Menschen wollen nicht ins Hinterland ziehen, weil es dort keine Infrastruktur gibt, keine Schulen, keine Banken.

Eine Umsiedelung, gibt Ram zu bedenken, würde außerdem unweigerlich Regenwaldabholzung mit sich bringen – und sich negativ auf Guyanas Klimabilanz auswirken. Auch emotionale Gründe spielen eine Rolle. „Ich werde nicht weggehen“, sagt Jardim. „Wohin denn auch? Das hier ist mein Land, woanders müsste ich etwas pachten. Alles ändert sich ständig im Leben, und so halt auch das Klima. Wir müssen uns eben anpassen.“

Auf Anpassung setzt auch die Regierung. Zwei Kilometer Luftlinie von Jardims Feld entfernt befindet sich der beschädigte Deich. Die Wellen branden hart gegen die aufgetürmten Felsen, Fontänen braunen Atlantikwassers spritzen in die Luft. Mit ein paar Baggern türmt die Regierung immer mehr und immer höher Steine auf. Alle paar Minuten knallt ein Brecher gegen den Wall. Das Ganze erinnert ein wenig an die vergebliche Müh des Sysiphus aus der griechischen Mythologie.

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