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Panorama: Der Mann, dem Frauen alles verzeihen

Die Skandale des Bürgermeisters von San Francisco

San Franciscos Bürgermeister Gavin Newsom hatte es satt. „Ich bin, wer ich bin“, erklärte er in einem Fernsehinterview halb zerknirscht, halb müde des ganzen Rummels um seine Person der letzten Wochen. „Nicht perfekt und ein ‚work in progress‘“. Vor drei Jahren war Newsom der gefeierte Star in Kalifornien. Er war der jüngste Hoffnungsträger der Demokraten. Die Presse feierte ihn schon als Reinkarnation von John F. Kennedy. Er, der selbst dem Geldadel entstammt, konnte es sich leisten, dem konservativen Establishment gegen das Schienbein zu treten, als er Homosexuelle standesamtlich traute und das Obdachlosenproblem zu einer seiner Prioritäten machte.

Drei Jahre später scheint Newsoms Bilderbuchkarriere am Ende, er selbst wirkt ausgebrannt. Eine Sexaffäre, Alkoholprobleme und vielleicht sogar Amtsmissbrauch testen die Toleranz einer der liberalsten und freizügigsten Städte in den USA – und das nur wenige Monate vor Newsoms angestrebter Wiederwahl im November. „Camelot zerbröckelt“, titelte der „San Francisco Chronicle“ in Anlehnung an den Hof des mythischen Königs Artus, als welcher auch gern der Kennedy-Clan bezeichnet wird.

Risse im Fundament machten sich bereits vor zwei Jahren bemerkbar, als sich Newsom und seine Frau, die Ex-Staatsanwältin und TV-Moderatorin Kimberly Guilfoyle, trennten. Newsom, gut aussehend, charmant und plötzlich alleinstehend, wenn auch noch verheiratet, hatte, wie er nun zugeben musste, eine kurze Affäre mit seiner Sekretärin Ruby Rippey-Tourk. Nicht gerade die beste Wahl war das, da diese zudem noch die Frau seines Freundes und Wahlkampfmanagers Alex Tourk ist, der daraufhin prompt seinen Rücktritt einreichte.

Doch San Francisco hat schon Schlimmeres erlebt von seinen Stadtvorderen. Vorgängern wurden Verbindungen zur Mafia, Korruption, Nepotismus und Drogenmissbrauch nachgesagt. Ein Bürgermeister hüpfte gar mit zwei Radiomoderatoren unter die Dusche – und ließ sich dabei mit breitem Grinsen ablichten.

„Bad judgement“ nennen die Amerikaner solche Verfehlungen und bestrafen ihre Vertreter entweder ab wie Duscher Frank Jordan, der bei der Wiederwahl verlor. Oder akzeptieren sie, wie sie sind, wie Willie Brown, der trotz unehelichen Kindes und zahlreicher Korruptionsvorwürfe, die jedoch nie bewiesen wurden, einer der populärsten Bürgermeister blieb.

Um reinen Tisch zu machen, gab Newsom nicht nur die Affäre zu, sondern auch gleich noch Alkoholprobleme und begab sich in Therapie, medienwirksam bei Mimi Silbert, der Gründerin und Direktorin der Delancey Street Foundation, die sich um arme Trinker und Drogensüchtige von der Straße kümmert.

Als dann jedoch auch noch eine fragwürdige Gehaltsnachzahlung über mehr als 10 000 Dollar an Rippey-Tourk für „Therapiekosten“ ans Licht kam, von der Newsom jedoch nichts gewusst haben will, rauften sich seine Wahlstrategen nur noch die Haare. Sie riefen den Stimmen der Frauen ein Adios hinterher und schrieben bereits weitere Karriereambitionen wie auf die Nachfolge von Gouverneur Arnold Schwarzenegger ab. Ironischerweise sind es jedoch die Männer, die weitaus intoleranter reagierten.

Nicht nur entschuldigen Frauen Newsoms Eskapaden – er wurde in der Zwischenzeit auch in Begleitung einer 19-Jährigen und anderer Blondinen gesichtet – als Nachwirkungen einer hässlichen Scheidung. Sie finden ihn „hot“ und sehen keinen Grund, ihn abzuwählen, „wenn er seinen Job gut macht“. Ganz anders die Männer. Deren Reaktion war anfänglich harsch und ohne Pardon, als ob ihnen Newsom die eigene Frau geklaut hätte. Vor allem die Tatsache, dass Newsom mit der Frau eines Freundes schlief, sei „unverzeihlich“ und das „Allerletzte“. Trotz allem: 75 Prozent der Wähler stehen trotz aller Skandale hinter ihm.

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