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Ortsschild des Dorfs Rickenbach im Schwarzwald.

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Räubergeschichten aus dem Hotzenwald: Der schwule Bürgermeister und sein Dorf

Norbert Moosmann wurde mit 60 Prozent zum Bürgermeister der Schwarzwaldgemeinde Rickenbach gewählt und war beliebt. Irgendwie kam es plötzlich zum Bruch. Vor allem als er wegzog zu seinem Lebensgefährten. Jetzt wurde er wegen eines fingierten Brandanschlages auf sich selbst verurteilt.

Die Brandbombe fliegt an einem Sonntag im Juli vergangenen Jahres durch das offene Bürofenster von Bürgermeister Norbert Moosmann in der beschaulichen Gemeinde Rickenbach im Südschwarzwald. Der 41-Jährige kann nicht fliehen, weil die Tür von außen mit einem Holzkeil versperrt ist. So erzählt es der Bürgermeister der Polizei, die er um 20 Uhr 13 alarmiert. Staatsanwaltschaft und Gericht glauben ihm kein Wort. Sie sind davon überzeugt, dass der Bürgermeister der 3800-Seelen-Gemeinde Rickenbach im Hotzenwald den Anschlag auf sich selbst zusammen mit seinem Lebenspartner fingiert hat.

Die 2. große Strafkammer am Landgericht Waldshut-Tiengen hat den Bürgermeister am Dienstag wegen Vortäuschens einer Straftat zu einer Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 100 Euro verurteilt. Seinen 37-jährigen Lebensgefährten bestraft das Gericht wegen Beihilfe mit einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 50 Euro.

Nach Überzeugung des Gerichts hat der Bürgermeister die Flasche mit Brennspiritus und einer Lunte aus Stoff selbst gegen seinen Schreibtisch geworfen, sein Lebenspartner die Tür verkeilt und einer der beiden einen Drohbrief vor der Tür platziert. „Moosi lebensmüde? Wir brauchen dich nicht als Bürgermeister! Zum letzten Mal: Hau ab! Oder du fliegst in die Luft!“, steht auf dem Zettel. Nach Ansicht der Ermittler sollte es so aussehen, als ob jemand den Rathauschef bedrohe, um ihn zum Amtsverzicht zu zwingen. Durch die Tat hätten sie ein krankheitsbedingtes Ausscheiden Moosmanns aus dem Dienst und höhere Versorgungsbezüge erreichen wollen. Moosmanns monatliche Pension hätte so von 3000 Euro auf gut 4000 Euro steigen können, wie die „Badische Zeitung“ errechnet hat.

Norbert Moosmann, ungeliebter Bürgermeister von Rickenbach im Südschwarzwald.

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Die Angeklagten helfen nicht bei der Klärung, sie schweigen bis zuletzt vor Gericht. Fest steht: Von der Zuneigung der Gemeinde zu ihrem Bürgermeister ist lange nichts mehr übrig. Dabei fing es so harmonisch an. Im Februar 2007 ist der parteilose Moosmann mit fast 60 Prozent der Stimmen gewählt worden. „Ich bin sehr herzlich aufgenommen worden“, sagt Moosmann nach 100 Tagen im Amt dem „Südkurier“. Aber dann muss es irgendeinen Knacks gegeben haben. War es der Umgangston, war es ein Missverständnis? Heute wollen die Rickenbacher ihren Bürgermeister nur noch loswerden. „Wir alle wären froh, wenn dieses Kapitel bald beendet wäre“, sagte Hubert Strittmatter, ehrenamtlicher Stellvertreter des Bürgermeisters. Wegen Herzbeschwerden meldete sich Moosmann im Herbst 2009 mehrere Monate krank, seit August 2010 ist er beinahe durchweg krankgeschrieben. Doch seine Amtszeit endet erst 2015 und die Hürden für eine Absetzung sind in Baden-Württemberg hoch. Ein Rathaus ohne Bürgermeister, der dennoch volles Gehalt bezieht, laut „Badischer Zeitung“ 5644 Euro brutto, bringt viele auf die Palme. „Wir überweisen das Geld jeden Monat für nix und wieder nix“, schimpfte Strittmatter.

Zum Bruch zwischen Bürgermeister und Gemeinde kam es offenbar schon im Herbst 2008, als Moosmann zu seinem Lebensgefährten nach Bad Krozingen zog, eine gute Stunde Autofahrt von Rickenbach entfernt. Moosmanns Begründung für seinen Fortzug: „Ich finde den Voyeurismus und das Getratsche über das Leben von Mitmenschen zum Kotzen.“ In der Folge geschahen seltsame Dinge. „Moosi go home“, schmiert jemand im Sommer 2010 mit Farbe auf sein Auto. Die Farbe war allerdings wasserlöslich, es sollte wohl kein Schaden entstehen. Kurz darauf bekommt er ein Päckchen mit einer toten Maus. Moosmann beklagte Beulen an seinem Auto, fühlt sich gemobbt und bedroht. Schließlich lässt er sich wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung in einer Klinik behandeln.

Am 3. Juli 2011, einem Sonntag, saß er ausnahmsweise mal wieder im Rathaus an seinem Schreibtisch, als die Brandbombe durch das geöffnete Fenster geflogen sein soll. Die Verteidigung beklagt einseitige Ermittlungen und eine Vorverurteilung. Sie forderte Freispruch für beide Angeklagten. Der Staatsanwalt plädierte auf eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, die gegen eine Geldauflage von 10 000 Euro zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, für den Bürgermeister und eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen à 50 Euro für seinen Lebensgefährten. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Würde es rechtskräftig werden, wäre Moosmann vorbestraft – bliebe jedoch im Amt.

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