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Panorama: Die Kinderzimmerprinzessin

Die 16-jährige LaFee singt über miese Ex-Freunde, Missbrauch und erste Liebe. Gewinnt sie den „Echo“?

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Auf der Bühne trägt sie ein weißes Kleid und eine weiße Bluse. Feenhaft streckt sie ihre Arme seitlich von sich, mit ihren wie Fächer fallenden Rüschenärmeln sieht sie aus wie ein Engel. Dann malt sie mit ihren Fingerspitzen kleine Wolken in die Luft und schüttelt die kastanienbraunen Locken. Aber wehe, die 16-jährige Sängerin LaFee macht den Mund auf.

„Du kleines Stückchen Dreck, ich hau dir eine rein, ich wünsch dir einen Virus, ich wünsch dir fiese Pickel ins Gesicht“, oder: „die Schlampe ist so link, dass es bis zur Hölle stinkt“ – so etwas singt LaFee, mal fordernd, mal lakonisch, zu düsteren Rockklängen. Ihre Hits heißen „Virus“, das wünscht sie der neuen Freundin ihres Ex, oder „Prinzesschen“, damit meint sie Taugenichtse wie Paris Hilton. Die aggressive Haltung der 16-Jährigen kommt bei Teenagern an. LaFee ist die erfolgreichste Sängerin des vergangenen Jahres, der größte Star seit Tokio Hotel. Bei der Verleihung des deutschen Musikpreises, dem Echo, ist LaFee am nächsten Sonntag in drei Kategorien nominiert, darunter für Newcomer des Jahres (national). Natürlich kriegt sie mindestens den.

LaFee, bürgerlich Christina Klein, teilt aber nicht nur aus. Sie singt auch über Liebeskummer, Angst vor dem ersten Mal oder einfach nur über das Gefühl, keiner hat einen lieb. LaFees Methode besteht darin, dass sie in ihren lauten Refrains oft ordinär wird, sie aber immer wieder besänftigende Zwischentöne einfügt, schnarrt oder atemlos flüstert: „Fürs erste Mal brauch ich noch Zeit, du musst das verstehen“ oder „Ich lebe für dich, ich ertrinke in dir“. Die Gefühlsschwankungen, die die Laut-Leise-Songs verdeutlichen sollen, sind typisch für den Teenager. Deshalb wechselt LaFee in ihren Videos auch die Rollen. Mal ist sie die tätowierte, schwarz geschminkte Leder-Nieten-Braut, dann wieder der barfüßige Engel, der lieb in den Himmel blickt. Im Clip zu ihrer neuen Single „Mitternacht“ sitzt sie neben einem kleinen Mädchen auf der Schaukel und singt ihm tröstend zu. Dann setzt die Band mit ihren Gitarren ein und LaFee haut drauf: „Sie liegt vor Angst schon so lange wach, dann kommt wieder er.“ Ein Lied über sexuellen Missbrauch durch den Vater. Was sie, wie sie in Interviews betont, nicht selbst erfahren habe. Doch könne sie leicht darüber singen, „weil mir so etwas zum Glück noch nicht passiert ist“. Das klingt konstruiert. Es war aber wohl auch die einzige Erklärung, die ihrem Management einfiel, damit LaFee dieses Thema verkaufen kann.

Denn LaFee ist nicht echt. Sie ist eine Künstlerin, die sich die „Bravo“ und der Manager Bob Arnz, vorher Produzent des Big-Brother-Teilnehmers Zlatko, gemeinsam ausgedacht haben. Christina Klein trägt nur ihre gute Stimme bei. Angeblich hätte sie sogar lieber Hip-Hop als Rock gemacht. Die „Bravo“ schuf für Klein das Image des leidgeprüften Teenagers, machte sie zu einer Art Vorkämpferin für unterdrückte Mädchen. Und titelte eine Geschichte nach der anderen mit ihr.

Das Magazin hatte bereits Tokio Hotel massiv gefördert und gezeigt, dass einheimische Jungstars inzwischen besser ankommen als amerikanische. Das Leben der US-Teen-Sängerinnen, in denen sich meist alles um Beverly Hills dreht, Basketballer als Freund, Hollywood und Rollerskating auf dem Sunset Boulevard, bewundern deutsche Teenager zwar, ist aber für sie unerreichbar.

Christina Klein aber, das sagt das Management, ist eine von uns. Und eine von unten. Die Eltern sind griechische Einwanderer, der Vater arbeitete in Deutschland zuerst als Lkw-Fahrer, zuletzt betrieb er mit seiner Frau zusammen einen Imbiss. Die Familie lebt im rheinländischen Stolberg, die Hauptschule hat Christina, als der musikalische Erfolg begann, ohne Abschluss verlassen. Das ist ein Lebenslauf, den man auch von den vielen minderjährigen TV- Superstar -Bewerbern kennt.

Gelegentlich gibt sich LaFee auch mal griechisch, wie bei der Liveversion ihres Songs „Verboten“. Da tanzt sie alleine Sirtaki. Das Lied handelt von westlichen Frauen, die manch einer für Schlampen hält: „In eurem Land würde ich bestimmt verbannt. Aber wir sind hier, nicht da. Ich bin alt genug, ich hab die Wahl.“ Sie guckt dann ganz ernst, wird böse. Aber das ist auch nur so ein Gefühl. Das geht vorüber. Mitten im Stück lacht LaFee schon wieder ins Publikum. Und fragt danach: Wart ihr schon mal so richtig verliebt?

Sassan Niasseri

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