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Der Geologe Gideon Groenewald untersucht einen vollkommen trockenen Boden.

© Mike Hutchings/Reuters

Wie ein Prophet: Dieser Mann bohrte tausende Male in Südafrika erfolgreich nach Wasser

Gideon Groenewald kennt sich aus in Geologie und Botanik. Und der 66-Jährige hat das Verhalten wilder Tiere beobachtet und kluge Rückschlüsse gezogen.

Sie nennen ihn den Wasser-Propheten: Mit seinem wallenden weißen Vollbart und seinem schwindenden Haar sieht er auch ganz danach aus. Gideon Groenewald hat in seinem 66-jährigen Leben bereits mehr als 8000 Bohrlöcher in die Erde senken lassen: 98 Prozent von ihnen sollen erfolgreich gewesen sein.

Der Doktor der Geologie lebt in Middelburg, einem Dorf in der südafrikanischen Halbwüste Karoo, die seit langem mit geringsten Niederschlägen – nur rund 350 Millimeter im Jahr – auskommen muss. Als sich europäische Siedler vor 200 Jahren auch die Karoo unter den Nagel rissen, konnten sie dort lediglich Schafe züchten. Für Kühe oder gar Ackerbau war die unendliche erscheinende Landschaft mit ihren bizarren Hügeln zu trocken.

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Regelmäßig wird die Karoo von Dürren heimgesucht: In den vergangenen neun Jahre fiel so gut wie kein Regen. Die Heidebüsche verwandelten sich in totes schwarzes Gestrüpp, und die Farmer mussten ihre Schafherden um zwei Drittel reduzieren. Eine ähnlich lange und verheerende Dürre habe es zuletzt vor 220 Jahren gegeben, sagt Groenewald: Ihre Spuren seien noch heute in Pflanzen oder dem Boden der Halbwüste auszumachen.

Die Karoo-Bewohner – ob Farmbesitzer oder Farmarbeiter – sahen sich in ihrer Existenz bedroht: Hätte die südafrikanische Hilfsorganisation „Gift of the Givers“ nicht den Wasserpropheten um Hilfe gerufen, hätten außer Hunderttausenden von Schafen womöglich auch Hunderte von Menschen ihr Leben lassen müssen.

So aber ließ Groenewald ein Bohrloch nach dem anderen in den Boden senken: Insgesamt habe er mehr als 500 Brunnen in den Karoo-Boden gebohrt. Seitdem wird der Geologe hier wie ein Heiliger verehrt: „Ohne ihn wären wir verloren gewesen“, sagt Schafsfarmerin Sybil Visagie. „Onkel Gideon“, wie er sich selbst nennt, zeigt sich bescheidener: „Ich habe nur genutzt, was unser Schöpfer uns gab.“

So viel Grundwasser, wie der Nil in 15 Jahren trägt

Grundwasser ist Afrikas größte Reserve an brauchbarem Wasser. Sein Volumen wird südlich der Sahara auf dieselbe Menge geschätzt, die der Nil in 15 Jahren trägt. Seltsamerweise werden im südlichen Teil des Kontinents nur fünf Prozent des Grundwassers genutzt, schreibt Wasserexperte Bradley Hiller im britischen Guardian: „Dabei ist sein Potential gewaltig.“

In anderen Teilen der Welt habe die zur Bewässerung von Feldern angebohrte unterirdische Reserve landwirtschaftliche Revolutionen ausgelöst: Wie in Kalifornien, Indien oder China. Doch nicht im südlich der Sahara gelegenen Teil Afrikas.
Das führen Fachleute wie Geologe Gideon einerseits auf fehlendes Know How zurück: Nicht jedes Land verfügt über einen Wasserpropheten.

Er hatte als einstiger Angestellter der südafrikanischen Nationalparkbehörde außer der Geologie auch Botanik und vor allem die Gewohnheiten wilder Tiere kennen gelernt: Mit diesem Wissen kann er heute unterirdischen Wasserreservoirs besser bestimmen als andere. Dass Bohrlöcher im Süden Afrikas eher selten sind, liegt allerdings auch an den anfallenden Kosten: Die Preise für aus Europa importierte Pumpen und den eigens heranzuführenden Strom waren für afrikanische Verhältnisse zu teuer. Doch heute werden die von wenigen Solarmodulen betriebenen Pumpen aus China eingeführt – und sind im Paket schon für 500 Euro zu haben.

Unterirdische Wasserstände sind bis auf den Millimeter zu berechnen

Schwierig bleibt allerdings das Management unterirdischer Aquifere: Anders als bei Staudämmen ist deren Wasserstand nicht mit bloßem Auge auszumachen. Moderne Technologie löst allerdings auch dieses Problem: Längst seien unterirdische Wasserstände bis auf Millimeter auszumachen, sagt „Onkel Gideon“.

Aber was passiert, wenn die Aquifers leergepumpt werden? Dieses Problem stelle sich höchstens bei Zigtausende von Jahren alten Grundwasserreservoiren, die wie jene unter der Sahara nicht mehr nachgefüllt werden, sagt Groenewald. Die überwiegende Mehrheit der Grundwasserspeicher werden mit jedem Regen wieder aufgefüllt – nicht anders als die Staudämme, von denen es im Süden Afrikas nur so wimmelt. Anders als bei den Stauseen verdunstet in den unterirdischen Speichern kein wertvolles Nass: Sind sind wesentlich wirtschaftlicher als Oberflächenwasser.

Die Stadträte der namibischen Hauptstadt Windhoek, einer der trockensten Städte der Welt, haben sich aus den USA eine Methode zur Verlängerung der Lebensdauer eines Aquifer abgeschaut: Indem in Regenzeiten überschüssiges Wasser in den Untergrund gepumpt wird, das dann in Dürrezeiten zur Verfügung steht.

Zwei Pumpen wurden bereits gestohlen

Die Technologie ist allerdings heikel, weil kein Schmutz ins Untergrundreservoir gelangen darf: Sonst würde der Speicher versanden. In Windhoek wurden von den acht dafür gedachten Pumpen bereits zwei gestohlen: Auch damit ist auf dem armen Kontinent zu rechnen.

Ansonsten sieht Wasserprophet Groenewald gelassen in die Zukunft. Der derzeitigen Dürre werde – wie bisher noch jeder Dürre – eine feuchtere Zeit folgen, prophezeit er: „Das hat unser Schöpfer so eingerichtet“, ist er sich sicher. Und sollte der Schöpfer noch dazu weiterhin durch zahllose Bohrlöcher unterstützt werden, könnten Katastrophen künftig abgewendet werden.

Johannes Dieterich

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