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Kleiner Aufwand, große Wirkung. Aus dem Blatt des Kokastrauchs wird Kokain gewonnen. Foto: AFP

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Panorama: Drogenanbau ganz legal

Auf der größten experimentellen Kokaplantage suchen Forscher nach Wegen, den Strauch auszurotten.

Es gibt große und kleine, helle und dunkle, runde und längliche. Luis Alberto Cepeda kennt sie alle. Die „peruanische Tingo“ mag keine Hitze, ist aber ergiebig. Die „schwarze Bolivianerin“ ist dunkel, robust – und verwerflich: Sie hat so viel Alkaloid wie keine andere Kokavariante. Mit zusammengekniffenen Augen hält der Kolumbianer das dunkelgrüne Blatt gegen die stechende Tropensonne. Es ist der Blick eines Experten, der den Strauch seit Jahren anbaut.

Um die verzweigten Blattadern zeichnen sich im Gegenlicht dunkle Schatten ab. Dort konzentriert sich der Wirkstoff, der mit Lösungsmitteln herausgezogen und mit anderen Chemikalien verschnitten das ergibt, wofür Süchtige in den USA und Europa viel Geld bezahlen: Kokain. Mehr als 20 000 Kokasträucher 18 verschiedener Arten betreut Cepeda auf seiner Plantage, drei Stunden Autofahrt südwestlich von Kolumbiens Hauptstadt Bogotá. Doch anders als andere Kokabauern muss er nicht ständig auf der Hut sein vor den Anti-Drogen-Einheiten.

Denn hier ist alles legal. Cepeda ist Polizeioffizier mit grünem Daumen, und die Felder im ausgedehnten Tal des Coello- Flusses sind die weltweit größte, experimentelle Kokaplantage. „Früher habe ich die Kokasträucher ausgerottet, jetzt pflege ich sie“, grinst der drahtige Mann mit dem wettergegerbten Gesicht. Aus der ganzenWelt waren schon Kriminalbeamte zu Besuch. Unter Cepedas Aufsicht werden Pflanzen gezogen und gekreuzt, um neue Sorten zu erhalten sowie mit Chemikalien besprüht, um ihre Widerstandsfähigkeit zu testen. Koka ist genügsam: Nach ein bis zwei Jahren ist die erste Ernte möglich, nach fünf Jahren kann man die Blätter bis zu siebenmal pro Jahr ernten, und das fast 40 Jahre lang. Wie man diesen Zyklus unterbinden kann, das wollen die Wissenschaftler herausfinden, für die Cepeda arbeitet: Kolumbianische und US-Forscher, die mit großen Strohhüten durch die Anpflanzung marschieren, mit Meterstäben die Sträucher vermessen und Daten sammeln. Washington finanziert die Versuchsplantage mit.

Sogar eigene Labors gibt es: Mehr als ein Betonbecken, Plastikfässer, Benzin, Zement, Wasser sowie Schwefelsäure und Kalziumkarbonat braucht man nicht, um innerhalb von Stunden aus den grünen, reifen Blättern die „Pasta Base“ herzustellen. Bei der „schwarzen Bolivianerin“ reichen 125 kg Blätter für ein Kilogramm Paste, bei anderen Sorten braucht man bis zu 350 kg. Ein Kilo Paste bringt den Bauern um die 1500 Dollar ein. Der Prozess ist in jeder improvisierten Dschungelhütte möglich. Um die Paste dann zu kristallisieren, braucht man Hitze und Chemikalien wie Schwefelsäure, Kaliumpermanganat, Salzsäure und Azeton. Doch weil deren Handel heute schärfer überwacht wird, und Wärmequellen per Satellit im Dschungel auszumachen sind, findet der Prozess heute hauptsächlich in den Städten statt, in improvisierten, leicht auf- und abzubauenden Hinterhoflabors. Aus zwei Kilo Pasta Base entsteht dort ein Kilo Kokain, das in Kolumbien 2000, in den USA rund 30 000 Dollar kostet.

Die hohe Gewinnspanne ist der Antrieb für das Geschäft, das die Drogenbekämpfer ständig vor neue Herausforderungen stellt. Haben sie einen Stoff gefunden, den sie dem Herbizid Glyphosat beimischen, um so den Strauch noch schneller zu zerstören, stellt die Drogenmafia für viel Geld Chemiker, Biologen und Ingenieure ein, um ein Gegenmittel zu finden. Wachsen die besten Sträucher nach wie vor auf 800 Metern Höhe am feuchten Osthang der Anden, gibt es nun auch Sorten, die tiefer oder höher gedeihen. So dehnt sich der Kokaanbau immer mehr in den Regenwald aus. Inzwischen lässt die Mafia die Kokasträucher einfach am Fuß steiler Hügel pflanzen, wohin die Sprühflugzeuge nicht gelangen. Und die Bauern begannen eine Kokaart zu ziehen, die im Schatten hoher Bäume wächst und damit aus der Luft nicht sichtbar ist.

Cepeda pflanzt inzwischen auch Kokasträucher weit verstreut unter hohen Tropenbäumen. „Per Satellit kann man sie orten“, bekräftigt er. Doch mit dem Besprühen an diesen Stellen ist das so eine Sache. Da dann auch der umliegende Urwald vernichtet würde, protestieren Umweltschützer. Pilzsporen wiederum seien zwar effektiv, aber gälten als biologische Waffen und seien daher verboten. Bis die Forscher ihr Wundermittel gefunden haben, müssen die Anti-Drogen-Einheiten weiter die klassische, manuelle Ausrottung betreiben, bei der die Pflanze mitsamt der Wurzel ausgerissen wird. Nur laufen sie dabei ständig Gefahr, von der Drogenmafia angegriffen zu werden.

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