Fotos und Fernsehen: Ein Bild sagt mehr als viele Worte
Es gibt Bilder, die jeder kennt: Die Aufnahmen des einstürzenden World Trade Center am 11. September 2001. Oder das Foto von Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann, der vor dem Mannesmann-Prozess 2004 die Hand zum Siegeszeichen hebt.
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Köln - Das vietnamesische Mädchen Kim Phuc, das nach einem Napalmangriff 1972 nackt aus seinem Dorf rennt. Gemeinsam haben solche Bilder, dass sie mehr sagen als viele Worte. Dass sie sich eingebrannt haben in unser Gedächtnis und vielfältige Inhalte wachrufen. Und dass kaum jemandem bewusst ist, wie sie entstanden sind und wie sie wirken.
Wegen der Macht von Foto und Fernsehen wird es nach Überzeugung von Experten immer wichtiger, die Entstehungsgeschichte von Bildern zu kennen. Die Politik-Didaktikerin Anja Besand forderte bei einer Fachtagung der Konrad-Adenauer-Stiftung in Wesseling bei Köln, im Umgang mit Bildern keine anderen Maßstäbe anzulegen als bei Texten: "Auch hier brauchen wir die Quellen, und wir brauchen die Autoren." "Wir müssen den Entstehungskontext eines Bildes befragen", fordert der Historiker Gerhard Paul. Und Dietmar Schiller vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) weist darauf hin, dass es im Fernsehen die Bilder sind, die haften bleiben: "Sie haben einen Eigensinn, den man nicht unterschätzen darf."
Quellen hinterfragen
Diese Details sind wichtig, um das Bild zu verstehen - daran, wie es wirkt und bis heute verstanden wird, hat sich aber wenig geändert. Das gilt auch für das "World Press Photo" 2006. Das Bild von Spencer Platt zeigt junge Libanesen, die im offenen Cabrio durch einen von Bomben zerstörten Vorort Beiruts fahren. Wie Kriegstouristen wirken sie, und das wird die erste Assoziation jedes Betrachters bleiben, der nicht weiß, dass die vier Frauen und der Mann nach der Flucht vor den Bombenangriffen an diesem Tag in ihren Heimatort zurückkehrten.
Hinzu kommt, dass Foto und Fernsehen nur scheinbar einen Augenblick objektiv festhalten. "Bilder sind wie Texte - gestaltbar und modulierbar", sagt Besand. Die Übergänge zwischen dem vorteilhaften Schminken und Ausleuchten einer Politikerin und dem Retuschieren des fertigen Fotos seien dabei fließend: "Der treue Bildglaube früherer Jahre ist stark erschüttert worden." Fotografen und Kameraleute sollten sich deshalb als Autoren verstehen, die Rechenschaft abzulegen haben über den Kontext ihrer Werke. Das diene nicht nur der korrekten Interpretation: "Als Autorinnen und Autoren von Bildern haben sie einen Ruf zu verlieren." (Von Jürgen Hein, dpa)
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