Panorama: "Eine Geste des guten Willens"
Gut 13 Jahre nach der Flugkatastrophe von Ramstein ist im Koblenzer Prozess um Entschädigung für seelische Spätfolgen der Opfer am Donnerstag noch keine Entscheidung gefallen. Allerdings neigt das Koblenzer Landgericht bei den fünf Klägern zur Anerkennung seelischer Spätfolgen mit Entschädigungen.
Gut 13 Jahre nach der Flugkatastrophe von Ramstein ist im Koblenzer Prozess um Entschädigung für seelische Spätfolgen der Opfer am Donnerstag noch keine Entscheidung gefallen. Allerdings neigt das Koblenzer Landgericht bei den fünf Klägern zur Anerkennung seelischer Spätfolgen mit Entschädigungen. Das Problem sei jedoch, dass ihre Ansprüche längst verjährt seien, erklärte der Vorsitzende Richter Wolfgang Arenz.
"Posttraumatische" Verletzungen seien aber laut Aussage der Opfer bei einigen von ihnen erst viele Jahre nach der Katastrophe aufgetreten. Zudem hätten manche längst Abfindungserklärungen unterschrieben. Nun müssen laut Arenz Sachverständige klären, unter welchen Spätfolgen die Kläger leiden könnten. Der nächste mündliche Verhandlungstermin im Zivilprozess dieser Kläger gegen die Bundesregierung ist am 18. April. Arenz sagte jetzt überraschend, dass das Verfahren erst "am Anfang" stehe.
Bei der Katastrophe 1988 waren Maschinen einer italienischen Kunstflugstaffel auf dem US-Militärflughafen Ramstein in der Pfalz bei einer Flugschau zusammengestoßen und abgestürzt. Dabei starben 70 Menschen, rund 400 wurden schwer verletzt. Der Flugtag war von der US-Luftwaffe veranstaltet worden.
Der Anwalt der Opfer, der frühere Bundesinnenminister Gerhart Baum, bezeichnete die Ausführungen des Vorsitzenden Richters nach dem Gerichtstermin als "sehr positiv". Die "posttraumatischen Belastungsreaktionen" seien erst in jüngster Vergangenheit näher erforscht worden. "Das ist ein neues Gebiet der Medizin", betonte Baum. Sollte das Gericht den Opfern eine Entschädigung für seelische Spätfolgen zusprechen, wäre das einmalig in Deutschland.
Nach deutschem Recht werden psychische Schäden nur in Ausnahmefällen und meist mit geringen Summen abgegolten. Die Opfer der Ramstein-Katastrophe waren zwar bei einem Vergleich nach Aussage der Bundesrepublik mit insgesamt gut 30 Millionen Mark für körperliche Verletzungen entschädigt worden. Für psychische Schäden wollte der Bund dagegen bislang keine Entschädigung zahlen. Baum kritisierte, dass die rheinland-pfälzische Landesregierung die Ramstein-Opfer mit seelischen Spätschäden alleine lasse. Bei Anfragen verweise sie nur auf den Bund, statt selbst eine pauschale Abfindung anzubieten. Der Rechtsanwalt betonte, es sollten keine hohen "amerikanischen Entschädigungssummen" eingeklagt werden. Vielmehr forderten die Opfer "eine Geste des guten Willens". Nach früheren Angaben des Landgerichts verlangen die Kläger, drei Frauen und zwei Männer, pro Person bis zu 51129 Euro (100 000 Mark). Ihr Fall wird laut Baum vorerst stellvertretend für rund 100 Ramstein-Opfer verhandelt, die über ihn Schmerzensgeld geltend machen wollten.
Die Gesprächstherapeutin Sybille Jatzko sagte in Koblenz, neuen Forschungen zufolge könnten Opfer von schweren Unglücken "Gehirnnetzwerk-Störungen" erleiden. Dies sei eine "Querschnittslähmung der Seele". Derartige Schäden werden laut der Betreuerin zahlreicher Ramstein-Opfer oft verdrängt und manchmal erst mehr als ein Jahrzehnt später offensichtlich. Nach Katastrophen wie 1988 in Ramstein leide etwa ein Fünftel aller vor Ort überlebenden Menschen später an "posttraumatischen" Störungen.