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Zwei Radfahrer sind mit ihren "Gravel"-Bikes in den Bergen unterwegs. Die Rennräder mit Shimano-Motor sind auch für Schotterpisten geeignet.

© Irmo Keizer/Shimano

Neuer Fahrrad-Trend: Elektrischer Rückenwind

Fast jedes vierte verkaufte Fahrrad ist ein E-Bike. Nur Rennräder waren bisher noch ohne Motor. Umweltschützer warnen vor den Folgen der neuen Technik.

Es ist die letzte Bastion des motorlosen Radelns. Während gerade Trekkingräder und Mountainbikes zunehmend als E-Bikes verkauft werden, sind Rennräder beim Motor-Boom bislang weitestgehend außen vor. Der japanische Komponentenhersteller Shimano – Weltmarktführer bei Gangschaltungen – will genau das ändern. „Steps“ heißt der 500-Watt-Motor, den Shimano vor Kurzem am italienischen Gardasee an „Gravel“-Rädern vorstellte.

Gravel ist ein ganz neuer Trend: Rennräder mit schotterpistentauglichen, breiteren Reifen. Zahlreiche Fahrradhersteller werden ab diesem Jahr den neuen Motor in Gravelbikes einbauen, sagte Shimano Sprecher Ben Hillsdon. Konkurrent Bosch wird sich das genau anschauen. Bislang galt: Fahrradmotor ist gleichbedeutend mit Bosch-Motor.

Ganz neue Ziele auch für ungeübte Radfahrer

„Alpenchallenge“ hat der Tour-de-France-Ausrüster BMC sein Rennrad getauft. Auf Einladung von Shimano konnte der Tagesspiegel in den italienischen Bergen das BMC-Rad testen. Drei Stufen hat der Motor, Eco, Trail und „Boost“. Eco reicht für trainierte Radler, um Berge regelrecht hochzufliegen, selbst auf groben Pisten. Wer weniger Kraft in den Beinen hat, wählt die mittlere Stufe Trail. Auf der Maximalstufe „Boost“ schießt das Rad quasi davon. In das Bergdörfchen Ville del Monte führte die Testtour. 700 Höhenmeter sind es bis dahin. Die kopfsteingepflasterten Gassen in dem Örtchen sind steil wie Treppen. Bislang war ein solches Ziel nur für sehr trainierte Sportler zu erreichen. Mit dem Steps-Motor werde ein völlig neuer Tourismus möglich, wirbt Shimano.

Die ersten aus der Reisebranche haben das erkannt. „E-Bikes ermöglichen auch weniger geübten und muskelstarken Radfahrern ganz neue Erlebnisse“, heißt es beim Tourismusverband Schwarzwald. Der „Alpen-Guide“ spricht von „elektrischem Rückenwind“. 100 Kilometer reicht der Akku der Toppserie E8000 im Eco-Modus, verspricht Shimano. Das reicht locker für einen Tagesausflug in die Berge, es muss also nicht zwingend bei der Mittagspause nachgeladen werden. Im Boost-Modus soll der Akku 50 Kilometer reichen. Rennradler fahren das BMC-Modell „Alpenchallenge“ intuitiv. Die Ritzel werden elektronisch am rechten Lenkerende geschaltet, links wird nicht der Umwerfer betätigt, sondern eben der Motor. Diese Highend-Technik hat seinen Preis. 5500 Euro verlangt der Schweizer Hersteller BMC für das Rad.

Gut 5000 Euro teuer: Das "Alpenchallenge" des Schweizer Herstellers BMC.
Gut 5000 Euro teuer: Das "Alpenchallenge" des Schweizer Herstellers BMC.

© Jörn Hasselmann

Ungeahntes Konflikt- und Störpotenzial für die Natur?

Fast jedes vierte verkaufte Fahrrad hat mittlerweile einen Motor. In Deutschland lag der Marktanteil nach Angaben des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) im vergangenen Jahr bei 23,5 Prozent. Und die Zahlen sollen steigen. Kürzlich korrigierte der Verband seine Zukunftsprognose nach oben: Mittelfristig erwartet der ZIV einen Anteil von 30 Prozent. Andere Länder sind schon weiter, in Belgien hat fast jedes zweite Rad einen Motor, in Frankreich sind es – durch staatliche Förderung – 90 Prozent. 70 Prozent aller E-Bikes sind Alltags- und Trekking-Räder, 25 Prozent sind Mountainbikes, 4 Prozent Lastenräder.

Umweltschützern bereitet der Trend zur motorisierten Bergtour hingegen Sorgen. Ein „bisher ungeahntes Konflikt- und Störpotenzial“ für die Natur konstatiert eine 2018 erschienene Stellungnahme des Bund Bayern mit dem Titel „Das E-Bike in alpinen Räumen“ und warnt: „Das Problem wird sich in den kommenden Jahren vergrößern, denn das Bergradeln mit E-Mountainbike ist eine der dynamischsten Entwicklungen bei Trendsportarten im Alpenraum.“ Mittlerweile gebe es Ladestationen für Akkus selbst an Berghütten.

Unmotorisiert sind nun nur noch die „echten“ Rennräder. Solange der Gesetzgeber den Pedelecs eine Höchstgeschwindigkeit von 25 km/h vorschreibt, wird das auch so bleiben. In den USA ist das anders, da darf ein Pedelec 32 erreichen, für Rennradfahrer interessant. Trainierte Hobbysportler kommen auch ohne Motor auf ein Durchschnittstempo von 30 bis 35 km/h – nur eben nicht in den Alpen.

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