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In Mandalay waren die Auswirkungen des Erdbeben mit am heftigsten.

© dpa/Myo Kyaw Soe

„Es fehlt an allem“: In Mandalay verzweifeln die Einsatzkräfte nach dem Erdbeben

Die 1,7-Millionen-Einwohner-Metropole Mandalay liegt nur wenige Kilometer vom Epizentrum des Bebens in Myanmar entfernt. Seit der Katastrophe versuchen Einsatzkräfte pausenlos, Verschüttete zu retten.

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Auf der Straße in Mandalay liegt der eingestürzte Glockenturm eines Klosters. Die Zeiger stehen auf 12.55 Uhr, wenige Minuten zuvor war Myanmar am Freitag von einem heftigen Erdbeben der Stärke 7,7 erschüttert worden.

Die 1,7-Millionen-Einwohner-Metropole Mandalay liegt nur wenige Kilometer vom Epizentrum des Erdbebens in Südostasien entfernt. Hier haben die Erschütterungen besonders schwere Schäden angerichtet. Seit der Katastrophe versuchen Einsatzkräfte pausenlos, Verschüttete aus den vielen eingestürzten Gebäuden zu ziehen.

Mit am schwierigsten ist die Lage am Wohnblock Sky Villa Condominium. Von den zwölf Stockwerken sind nur noch sechs übrig. Die mit Rissen übersäten, blassgrünen Mauern der oberen Stockwerke lasten auf den eingestürzten unteren Etagen. In den Trümmern ist der Körper einer Frau zu sehen, ein Arm und ihr Haar hängen herunter.

Noch 90 Menschen unter Schuttbergen vermutet

Unter großen Anstrengungen entfernen Einsatzkräfte Trümmerteile per Hand, um zu Verschütteten zu gelangen. Laut einem Vertreter des Roten Kreuzes werden noch mehr als 90 Menschen unter den Schuttbergen vermutet. Bislang wurden neun Menschen tot und 44 lebendig geborgen.

Rund um die Gebäudetrümmer liegen Gegenstände, die an das Alltagsleben der bisherigen Bewohner des Wohnblocks erinnern: ein Plastikspielzeug, Teile von Möbelstücken und ein Bild der New Yorker Skyline. Unter Bäumen in der Nähe lagern einige der früheren Bewohner mit den Habseligkeiten, die sie nach dem Erdbeben aus ihren Wohnungen retten konnten.

Die Einsatzkräfte kommen mit den Rettungsarbeiten kaum hinterher.

© AFP/SAI AUNG MAIN

Überall in Myanmars zweitgrößter Stadt sind Menschen in Flip-Flops und mit minimaler Schutzausrüstung damit beschäftigt, mit den Händen nach Verschütteten zu graben. Sie alle hoffen, auf ihrer Suche die Rufe von Überlebenden zu hören. „Es gibt viele Opfer in Wohnanlagen“, sagt einer der Helfer. „Vergangene Nacht wurden mehr als hundert herausgezogen.“

Nicht nur durch den Mangel an Ausrüstung, auch durch Stromausfälle werden die Sucheinsätze erschwert. Schließlich brauchen die Einsatzkräfte Licht für ihre Suche. Nach mehr als 24 Stunden im Einsatz sind viele Helfer erschöpft. „Wir sind hier seit letzter Nacht, wir haben keinen Schlaf bekommen“, sagt einer von ihnen. „Es wird mehr Hilfe gebraucht.“

Eigentlich gebe es genügend Einsatzkräfte, führt er aus. „Aber wir haben nicht genügend Wagen. Wir transportieren die Leichen mit leichten Lieferwagen. Etwa zehn bis 20 Leichen in einem leichten Lieferwagen.“

In Myanmar ereignen sich häufig schwere Erdbeben

Im südostasiatischen Myanmar ereignen sich aufgrund seiner Lage auf der Sagaing-Verwerfung häufig schwere Erdbeben. Doch das vom Samstag war besonders folgenschwer: Von mehr als tausend Toten und rund 2400 Verletzten spricht die Militärregierung am Samstag. Es zeichnet sich aber ab, dass die Opferzahl noch deutlich steigen wird.

Dass das Erdbeben in Myanmars kultureller Hauptstadt Mandalay derart verheerend wirkte, ist laut Ian Watkinson, Experte für Plattentektonik an der Londoner Holloway University, auch auf den dortigen Hochhaus-„Boom“ der vergangenen Jahre zurückzuführen. „Das übliche Mantra lautet, dass nicht Erdbeben Menschen töten, sondern einstürzende Bauten“, sagt Ilan Kelman, Katastrophenschutzexperte am University College London.

Myanmars Kapazitäten, mit der Katastrophe umzugehen, sind auch wegen des seit vier Jahren andauernden Bürgerkriegs zwischen der Militärregierung und diversen Rebellengruppen deutlich geringer als im ebenfalls von dem Beben betroffenen Nachbarland Thailand. Der Konflikt in Myanmar hat das Gesundheitssystem und das Katastrophenmanagement des Landes stark geschwächt.

Militärjunta-Chef Min Aung Hlaing sah sich gezwungen, in einem ungewöhnlichen Schritt „jedes Land, jede Organisation“ um Unterstürzung zu bitten. In der Vergangenheit hatten es Militärregierungen in Myanmar selbst bei großen Naturkatastrophen abgelehnt, um internationale Hilfe zu bitten.

„Wir brauchen Hilfe“, bestätigt Thar Aye, der in Mandalay lebt. „Uns fehlt es an allem.“ Der 68-Jährige ist angesichts der Zerstörung völlig niedergeschlagen. „Ich bin so traurig, wenn ich diese tragische Lage sehe“, sagt er. „Ich habe so etwas noch nie erlebt.“ (AFP)

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